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Bericht
01.02.2021
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Aus den Ländern (Baden-Württemberg): Die Zukunft des Automobils

Virtuelle Veranstaltung mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie
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Als Autoland Nummer Eins, geprägt von historischen Pionieren wie Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach und Ferdinand Porsche, ist Baden-Württemberg mehr als jedes andere Bundesland von der Automobilbranche geprägt. Knapp 500.000 Beschäftigte arbeiten rund um die Fahrzeugindustrie. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Branche für das Land. Mit Hildegard Müller traten die Mitglieder des Wirtschaftsrates daher in einen spannenden Austausch, moderiert von Dr. Hartmut Baur, Vorsitzender der Landesfachkommission Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, sowohl über die Zukunft als auch die aktuelle Lage im Wirtschaftssektor. 

 

Aufgrund der schärfer werdenden Umweltpolitik und der damit umzusetzenden Verkehrswende, geriet die Automobilindustrie im letzten Jahrzehnt immer mehr in den Fokus von Regulierungen und Klimazielen. Der entstehende Umbruch und die damit verbundene Umschaltung des Sektors auf Klimaneutralität, birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Inmitten dieses Strukturwandels traf die Coronakrise die Industrie daher hart.

 

In ihrer Einschätzung zur aktuellen Lage zeigte sich Hildegard Müller ob eines voraussichtlichen Wirtschaftswachstums in der Automobilindustrie um acht Prozent zum Vorjahr erfreut, betonte aber auch, dass dies den Verlust des Vorjahres nicht ausgleiche, welcher zu massiven Umsatz- und Liquiditätsrückgängen führte. Eine vollständige Erholung wird somit noch nicht erwartet. Auch hohe Steuern sowie Energiekosten belasten Autohersteller und ihre Zulieferer, beklagt die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. Es würden sich in der Verkehrswende zwei Ansätze gegenüberstehen: Regulation und Beschränkungen oder Innovation und Unternehmertum. Hildegard Müller betont dabei, dass ersterer der Automobilbranche extrem schadet. Dennoch zeigt sie sich selbstbewusst und weist auf die Innovationskraft des Patentweltmeisters Deutschland hin. Man müsse Forschergeist, Innovation und Talent fördern um ein erneutes Wirtschaftswachstum anzuregen und die ernste Lage zu überwinden.

 

Die Fördermittel der EU und die Staatshilfen Deutschlands begrüßt Hildegard Müller daher. Prämien und Unterstützungen für E-Autos seien bereits bis 2025 terminiert und 25 Milliarden Euro wurden an Förderung für Transformationsprozesse in Aussicht gestellt. Paradox sei jedoch, dass diese bisher nicht ausgezahlt werden, da deutsche Transformationsprozesse den Geldgeber EU nicht überzeugen konnten. Zudem seien die Coronahilfen in äußerst unterschiedlichen Mengen bei den Unternehmern angekommen. Viele warten noch auf die ersten Gelder, während für die mittelständische Zulieferungsindustrie kein vollständiger Plan ausgearbeitet worden sei. Diese Gelder müssten sofort bereitgestellt werden um die Liquidität der Zulieferer zu sichern.

 

Die Bedeutung der Fahrzeugindustrie in Deutschland sei enorm, „Menschen brauchen und wollen individuelle Mobilität“, so Müller. Dennoch sei auch eine Vernetzung aller Verkehrsträger nötig. Vor allem in den ländlichen Gebieten bedeute „Mobilität auch Teilhabe“ am öffentlichen Leben und sei dementsprechend essentiell. 

Aufgrund des Exports, der deutschlandweit ca. 75% der hergestellten Fahrzeuge betrifft, ist die Wirtschaft stark abhängig von internationalen Märkten. Hier muss ein schmaler Grat zwischen Abhängigkeit von diesen und europäischer Selbstständigkeit, gefunden werden, um eine Krisenanfälligkeit der Automobilbranche zu minimieren.

Im internationalen Vergleich habe die deutsche Autoindustrie zudem mit einer langsameren Erholung als der asiatische Markt zu kämpfen. Es bestehe die Gefahr, dass Deutschland ins Hintertreffen gerät, so Müller. Sie beklagt die zu geringe Förderung und ist konsterniert über den Zustand der Politik, welche ihrer Meinung nach zu viel auf sich selbst achtet.

In ihrem Ausblick auf die Zukunft zeigte sich die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie auf vielen Ebenen besorgt. Man müsse in Zukunftsfragen wie dem autonomen Fahren endlich voranschreiten und dürfe nicht in eine Diskontinuität geraten. Dazu sei auch erforderlich, dass die Politik Datenschutzfragen neu entscheidet, um den Herstellern bessere Datenerfassungen zu ermöglichen und so schnellere Entwicklungen zuzulassen. Trotz allen Schwierigkeiten, so Hildegard Müller, sei man Europameister in der E-Mobilität, was den Führungsanspruch der deutschen Automobilindustrie auch für die Zukunft unterstreicht. Dennoch seien Elektroautos und Batterien bisher noch eine Herausforderung und sorgen, aufgrund der benötigten Rohstoffe, zudem für eine steigende Abhängigkeit vom internationalen Markt. Dies sei kritisch zu betrachten. Zudem führt Hildegard Müller an, dass für umweltfreundliche Elektroautos eine größere erneuerbare Energiemenge vorhanden sein müsse, da E-Autos mit Kohlestrom wohl kaum umweltfreundlicher seien als Autos mit fossilen Brennstoffen. Hier muss eine adäquate Lösung gefunden werden, so Müller. Ob E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe auch in Autos mit Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können, ist bisher nicht ausreichend geklärt. Bezüglich des Wasserstoffes als alternativen Energieträger sieht Hildegard Müller weniger die Anwendung in PKWs als effizient, sondern denkt eher an einen Einsatz im Schwerlastverkehr, für Busse oder LKWs. Alles in allem seien E-Fuels, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff mögliche Alternativen zu bisherigen Kraftsoffen, jedoch auch noch eine große Herausforderung, an der intensiv gearbeitet werden müsse. Um diesen Strukturwandel erfolgreich zu vollziehen, brauche man das volle Vertrauen der Bevölkerung. Zudem benötige man Hilfen aus der Politik, zum Beispiel um den Infrastrukturausbau der Straßen, Ladestationen und der Technik voranzutreiben. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen solle man dann aber eine Wettbewerbsfreiheit gewährleisten.

 

Abschließend führte Frau Müller an, dass steigende Flottengrenzwerte im Moment nicht der richtige Weg seien, man dürfe nicht vergessen, dass sich die Welt zur Zeit in einer schweren Krise befinde und man in dieser Krise auf Unterstützung angewiesen sei. Restriktionen hingegen würden zu einer weiteren Problematisierung führen. Man müsse strukturiert aus dieser Epidemie hervorgehen, um weiterhin die Innovationsführerschaft Europas inne zu haben. Dazu seien Ausstiegszenarien nötig, die die vielen offenen Zukunftsfragen, wie die Standortfrage der Automobilindustrie, die Kraftstoffe der Zukunft, die Arbeitswelt der Zukunft und die Wirtschaftlichkeit von Elektromobilität beantworten können.