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Bericht
24.04.2025
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Gesundheitswirtschaft im Wandel – Unternehmerdialog in Tuttlingen

In Tuttlingen trafen sich führende Vertreter aus Politik, Krankenkassen, Klinikmanagement und Industrie im Rahmen des Unternehmerdialogs Gesundheitswirtschaft.
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Gastgeber war das Medizintechnikunternehmen KARL STORZ SE & Co. KG in Tuttlingen, das die Teilnehmer zunächst zu einem exklusiven Ausstellungsrundgang einlud. Dabei konnten sich die Gäste ein Bild vom Innovationspotenzial des Unternehmens machen, das auf 80 Jahre Entwicklung und Forschung zurückblicken kann.

Im Anschluss gab Dr. Martin Leonhard, Leiter Government Affairs bei KARL STORZ, in einem Impulsvortrag einen pointierten Einblick in die aktuellen regulatorischen und politischen Entwicklungen auf EU- und Bundesebene. Besonders die Auswirkungen der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) und drohende Handelsbarrieren, etwa durch US-Zölle, standen im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Er warb für ein Umdenken in der europäischen Gesetzgebung: Statt Innovationen zu behindern, müssten Regularien so gestaltet werden, dass sie Sicherheit gewährleisten und zugleich technologischen Fortschritt ermöglichen. Die aktuelle Lage führe dazu, dass Hersteller zunehmend in andere Märkte abwanderten – mit spürbaren Konsequenzen für die Patientenversorgung.

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Dr. Martin Leonhard, Winfried Plötze (Landesgeschäftsführer der BARMER Baden-Württemberg), Nikolai Reith MdL (FDP) und Dr. Sebastian Freytag (Geschäftsführer des Klinikums Tuttlingen) unter der Moderation von Dorothea Hecht, Stellvertretende Redaktionsleiterin des Verlagsdruckerei J.F. Bofinger KG, über zentrale Zukunftsfragen der Gesundheitswirtschaft. Einigkeit herrschte darüber, dass das Zusammenspiel zwischen Regulierung, Versorgungssicherheit und Innovationsfähigkeit besser austariert werden müsse. Gerade die MDR wurde mehrfach als Beispiel genannt, bei dem gut gemeinte gesetzliche Vorgaben zu unbeabsichtigten Marktverengungen führten. Kleinere Anbieter könnten sich die aufwendigen Zulassungsverfahren oft nicht mehr leisten – was sich unmittelbar auf die Produktvielfalt in Krankenhäusern auswirke.

Karl Storz

Ein weiteres zentrales Thema war die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Diskussion zeigte, wie groß der Handlungsbedarf ist – und wie fragmentiert die Lage aktuell noch ist. Während das E-Rezept mittlerweile gut funktioniere, stünden zentrale Projekte wie die elektronische Patientenakte weiterhin vor strukturellen Hürden. Winfried Plötze betonte, dass gerade die Krankenkassen bereit seien, ihre Versorgungsdaten in den Dienst von Forschung und Prävention zu stellen – vorausgesetzt, es gelinge, Datenschutz und Datennutzung in ein zukunftsfähiges Gleichgewicht zu bringen. Auch Dr. Freytag sprach sich für einen pragmatischeren Umgang mit digitalen Innovationen aus. In der Summe, so der Tenor auf dem Podium, werde die Digitalisierung nicht an technischen Möglichkeiten, sondern an politischen Rahmenbedingungen und föderaler Komplexität ausgebremst.

Auch geopolitische Risiken wurden diskutiert – etwa die mögliche Einführung von Zöllen auf europäische Medizintechnik durch die USA. Dr. Leonhard machte deutlich, wie sehr die Branche auf internationale Handelsfreiheit angewiesen ist. Allein bei KARL STORZ würde ein solcher Schritt Millionenverluste verursachen. Hier zeigten sich die Podiumsteilnehmer einig: Europa müsse in Handelsfragen geschlossen auftreten und mit klarer Stimme sprechen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Gleichzeitig wurde betont, dass die gegenwärtigen Umwälzungen auch Chancen bieten – etwa durch die zunehmende Attraktivität Europas für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Abend endete mit einem klaren Appell: Deutschland und Europa müssen ihre Gesundheitswirtschaft nicht nur regulieren, sondern aktiv gestalten. Dazu braucht es eine langfristige Strategie, mehr Vertrauen in die Akteure vor Ort und den Mut, neue Wege zu gehen. Winfried Plötze brachte es abschließend auf den Punkt: „Wir brauchen klare Ziele, weniger Detailsteuerung – und den Mut, unser System im Sinne der Patientinnen und Patienten weiterzuentwickeln.“