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Bericht
25.04.2023
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Sektion Böblingen/Sindelfingen/Leonberg: Digitalisierung und Transformation in den regionalen Medien

Die Röhm Verlag & Medien GmbH lud zu einem Austausch über Qualität, politische Förderung und Herausforderungen für Lokalzeitungen ein.
©Frank Dettenmeyer

Im Zuge einer Betriebsbesichtigung lud die Röhm Verlag & Medien GmbH die Mitglieder der Sektion Böblingen/Sindelfingen/Leonberg zu einem Austausch über Qualität, politische Förderung und Herausforderungen von Lokalzeitungen ein.

Vor rund 25 Gästen leitete Dr. Alexander Sommer, Sprecher der Sektion Böblingen/Sindelfingen/Leonberg, in die Veranstaltung ein. Dr. Christian Röhm,  Geschäftsführer der Röhm Verlag & Medien GmbH, Dr. Matthias Miller MdL, Ordentliches Mitglied im Ausschuss des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, und Hans-Jörg Zürn, Verlagsleiter und Chefredakteur, gaben informative Einblicke in die politische wie wirtschaftliche Situation von Lokalzeitungen.

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Dr. Christian Röhm nutzte dabei den Anlass, um auf die weiterhin schwierige Situation der Lokalzeitungen hinzuweisen: Gestiegene Kosten, zu wenig politische Förderung, gesunkene turn rates und die Marktmacht von Google & Co. sind dabei nur ein paar wenige der vielen Faktoren, die den Verlagen in Krisenzeiten zu schaffen machen. Die Erhaltung des freien Lokaljournalismus ist dabei ein besonders wichtiger Faktor, um in solchen Zeiten die Bevölkerung auch im ländlichen Gebiet hinreichend zu informieren. Wichtig sei aber auch, dass für guten Journalismus weiterhin eine Zahlungsbereitschaft bestehe. Eine freie Zeitung dürfe kein Massenwerbungs-Medium werden. Anreize für die Zahlungsbereitschaft der Kunden schaffe die unabhängige Lokalpresse durch ihre Ausstrahlung und Authentizität sowie ihre lokale Verbundenheit.

Die konsequente Digitalisierung kann hierbei helfen, da eine unbegrenzte Menge an „Raum“ zur Verfügung steht, interaktive Elemente eingefügt werden können und die Möglichkeit besteht, Audio und Video zu integrieren. Algorithmen sorgen dafür, dass Artikel Schärfe und Klarheit erhalten. Somit muss jeder Artikel zwingend so formuliert werden, dass ein potenzielles Abo und in der Folge ein Langzeitkunde entstehen kann. Zwar sind Print-Abos im Moment noch wichtiger, werden aber eher als „Startrampe“ angesehen, um die „Rakete“, also das Zeitalter der digitalen Medien, vorzubereiten.

Hierbei spielt auch die Politik eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe sei es, diese „Startrampe“ zu verlängern und lokale Verlage zu entlasten. Dies gehe unter anderem mit einer Zustellungsförderung, wodurch die Meinungsfreiheit in ländlichen Gebieten gewahrt bliebe. Gerade in Zeiten, in denen bei gleichen Erlösen gestiegene Werbekosten hinzukommen, beispielsweise wenn Influencer bezahlt werden wollen, muss die Politik den lokalen Verlagen unter die Arme greifen.

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Auch eine rigorose Umgestaltung innerhalb der Verlage ist erforderlich. Hierbei hat die Röhm Verlag & Medien GmbH ein internes Konzept, das „Team Polarstern“, ins Leben gerufen. Dieses zielt auf eine komplette Digitalfinanzierung der Röhm Verlag & Medien GmbH ab und koordiniert die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Verlagen. Es bedarf rund 10.000 digitale Abos, damit die Redaktion finanziert werden kann. Zum Schluss forderte Dr. Christian Röhm eine Stärkung des Urheber- und Kartellrechts. Hierbei nutzen Google, Facebook & Co. ihre Marktsituation aus und Urheberrechtsverfahren verlaufen zunehmend im Sande. Die Politik müsse dies ausbessern und lokale Unternehmen besser in Schutz nehmen.

Im Anschluss führte Dr. Matthias Miller MdL aus, dass ein direkter Eingriff der Politik in die Presse sich immer als schwierig gestaltet. Gleichzeitig betonte er, wie wichtig die lokale Presse auch für junge Menschen sei. Laut einer Umfrage informieren sich 72 % der Jugendlichen über die Lokalpresse, wobei besonders Instagram ein steigender Absatzmarkt sei. Als Beispiel für die Wichtigkeit zeigte er auf, dass der Verlust der Lokalpresse in den USA innerhalb der jeweiligen Countys zu mehr Rechtsverstößen aufgrund fehlender Transparenz geführt hat.

Er erläuterte zudem, dass gestiegene Zustellungskosten, aufgetreten etwa durch die Mindestlohnerhöhung, dazu führen könnten, dass Verlage ihre Zustellung in entlegene Gebiete komplett einstellen. Hierbei könne eine Zustellungsförderung der Bundesregierung für Abhilfe schaffen, damit Verlage entlastet und die Menschen in ländlichen Regionen weiterhin erreicht werden können. Obwohl die Unterstützung für die Digitalisierung der Verlage mit 180 Millionen Euro schon von der letzten Koalition veranschlagt worden ist, wurde jenes Vorhaben vom Bundesrechnungshof zerlegt, da angeblich keine dringende Notwendigkeit für das Vorhaben bestehe. Hierbei bedarf es mehr Druck aus der Politik, um eine Zustellungsförderung einzuführen.

Auch das Spannungsfeld öffentlicher Rundfunk und Lokalpresse thematisierte Dr. Miller. Dabei geht es um den rechtlichen Verantwortungsbereich zwischen beiden Parteien. Beispielsweise darf der öffentliche Rundfunk nur dann schriftliche Beiträge abgeben, wenn sie mit dem Programm des öffentlichen Rundfunks korrelieren. Schreibt der öffentliche Rundfunk allerdings Texte, die in keiner Korrelation zu einem von ihm abgegebenen Beitrag stehen, so ist dies rechtswidrig. Als Beispiel nannte Dr. Miller „NewZone“ des SWR, das gezielt auf junge Menschen abzielt und eigene Inhalte ohne Zusammenhang zu Beiträgen des SWR erstellt. Dagegen haben die Verlage geklagt und Recht bekommen. Der juristische Rahmen für dieses Spannungsfeld, müsse aber eindeutiger geklärt und einzelne Verantwortungsbereiche besser definiert werden.

Abschließend folgte eine Führung durch die Druckerei der Röhm Verlag & Medien GmbH und ein Get together, bei dem sich unsere Mitglieder in entspannter Atmosphäre über die gegebenen Denkanstöße austauschen konnten. Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Christian Röhm, Dr. Matthias Miller und Hans-Jörg Zürn für die Gastfreundschaft und die gegebenen Impulse!