Volkswirtschaftlicher Ausblick 2018 der Sektion Baden-Baden/Rastatt
Die VR-Bank Mittelbaden e.G. in Sinzheim war Gastgeber für den eindringlichen, detaillierten und hochaktuellen Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts. In ihrer Begrüßung machten die Gastgeber, Vorstände Klaus Knapp und Felix Thiem, deutlich, dass der sich anschließende Ausblick von Prof. Feld den idealen Rahmen für die aktuelle, unsichere politische Situation in Deutschland, mit einer sich – offenbar – formierenden Großen Koalition, bilden würde.
Sektionssprecher Konrad Walter bekräftigte, dass die im jüngsten Volkswirtschaftlichen Ausblick beherrschenden Themen, wie die anhaltende Niedrigzinsphase, der Syrienkonflikt oder die Eurokrise, nicht an Aktualität verloren haben. Vielmehr kommen mit der aktuell schwierigen Regierungsbildung, dem Brexit und der politischen Entwicklung in den USA neue Großbaustellen hinzu. Er habe, so Walter, in den letzten Monaten des Jahres 2017 innerhalb des Kollegen- und Freundeskreises noch nie so oft den Wunsch nach Ruhe und Sicherheit vernommen.
Diesem Wunsch, so machte Prof. Feld zu Beginn seines Vortrags deutlich, könne er nicht entsprechen. Zwar stehe die deutsche Wirtschaft zurzeit als das Powerhouse Europas da: Nahezu Vollbeschäftigung, ein ordentliches Wirtschaftswachstum (die Erwartungen für 2018 liegen bei mehr als 2,2%) bei Preisstabilität und einer positiven Außenhandelsbilanz. Diese gute konjunkturelle Lage böte alle Chancen für eine Neujustierung der Wirtschaftspolitik, welche die Herausforderungen der Zukunft durch Globalisierung, Digitalisierung und den demografischen Wandel in den Mittelpunkt stellt. Gerade die Globalisierung stelle mit einer Zunahme des Protektionismus in ungeahntem Maße eine ganz andere Herausforderung dar als ursprünglich gedacht – vor allem die Entwicklungen in China mit zunehmender Kontrolle ausländischer Unternehmen führten in der Reaktion zu einer Abschottung der „Festung Europa“ gegenüber ausländischen Investoren. Dabei, so Feld, gebe es auf der ganzen Welt keinen anderen Mechanismus, der Armut so klar reduziere wie die Globalisierung.
Die Hoffnungen auf eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik gingen jedoch immer mehr ins Moll, wie Prof. Feld im Bezug auf das im November der Bundesregierung übergebene Jahresgutachten des Sachverständigenrates deutlich machte: Die Wirtschaftspolitik orientiere sich immer noch, wie auch in der vergangenen Legislaturperiode, am Verteilungsdiskurs, wo doch tatsächlich die Einkommensverteilung nach Steuern und Transfers seit dem Jahr 2005 weitgehend stabil geblieben sei. „Wir leisten uns in Deutschland einen intensiven Verteilungsdiskurs, obwohl die Zahlen das nicht hergeben!“. Die Reformen der Vergangenheit zeigten nun ihre Wirkung und die Sozialpolitik sei keinesfalls kritikwürdig, denn „sozial ist, was Arbeit schafft“, so Feld.
Im Hinblick auf Innovation stehen vor allem Risiken statt Chancen im Blickpunkt – Innovatoren werden in Deutschland durch starke Regulierungen auf den Arbeits- und Produktmärkten abgeschreckt. Davon zeuge nicht zuletzt die in Deutschland unterentwickelte Start-Up-Landschaft: „Steuerlich werden Investitionen von Start-ups durch die Begünstigung der Finanzierung durch Fremdkapital und durch thesaurierte Gewinne benachteiligt, während Start-ups stärker auf die diskriminierte Beteiligungsfinanzierung zurückgreifen müssen.“, so Prof. Feld. Eine Steuerreform, die Finanzierungsneutralität herstellt, wäre der erste Schritt zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen von Innovatoren. Jedoch: Wichtige Strukturreformen habe es in Deutschland zuletzt nicht mehr gegeben. „Momentan wird eine Restauration der alten Wirtschaftspolitik der 70er Jahre betrieben – die war damals schon falsch und ist es auch in der Restauration“, so das Fazit für die derzeitige wirtschaftspolitische Situation in Deutschland von Prof. Feld.
Doch auch der Euroraum steht in der Betrachtung des Sachverständigenrats kaum besser da. Hohe Schuldenstandsquoten im Euroraum zeigen, wie weit weg einzelne Staaten von einer Konsolidierung sind, wenngleich die Quoten immerhin nicht weiter ansteigen. Die Geldpolitik der EZB ist nach wie vor stark expansiv – in der Betrachtung von Prof. Feld zu expansiv – und sollte dringend einer umfassenden Normalisierung unterzogen werden: Weg von der „lower-for-longer“-Strategie, hin zu einer „Forward Guidance“ mit steigenden Refinanzierungskosten, um die Unsicherheiten hinsichtlich des künftigen Kurses der Notenbank zu reduzieren und damit die Inflationsraten nicht „übers Ziel hinausschießen zu lassen“.
Konrad Walter dankte dem Referenten für die ernüchternden, aber deutlichen und notwendigen Worte und fasste treffend zusammen: „Unsere Lage ist zwar ordentlich, aber da kommt was auf uns zu!“.