Cookie-Einstellungen

Bericht
16.03.2021
Drucken

Wasserstoff-Treibstoff der Zukunft?

In einer Videokonferenz sprach der Wirtschaftsrat mit Dr. Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer Griesheim Schweiz AG, über das Zukunftspotential von Wasserstoff und dessen Rolle in der Energieversorgung. Welche Anwendungsgebiete wird Wasserstoff in Zukunft haben? Im Austausch mit den Mitgliedern sprach Dr. Kellner über Produktion, Sicherheit und Marktchancen des Gases.

Virtuelle Veranstaltung mit Dr. Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer Griesheim Schweiz AG
©None

Herr Dr. Kellner beschrieb zunächst die Lage, in der wir uns derzeit befinden. Die CO2-Emissionen sind in Europa seit 1990 zwar stark zurückgegangen, weltweit wachsen sie jedoch. Gefragt sind jetzt CO2-neutrale Lösungen für unsere Energieversorgung. Der globale Verkehr war 2017 für rund 15 Prozent des Gesamtausstoßes an CO2 verantwortlich. Hier kommt der Wasserstoff ins Spiel. Doch da muss man sich die Frage stellen: Was wäre die bessere Alternative? Das Wasserstoffauto oder das E-Auto? Die Hauptargumente für die Elektromobilität sind laut Herr Kellner die CO2-Neutralität und der höhere Wirkungsgrad als beim Verbrennungsmotor. Auch der Strom für die E-Autos wird langsam aber sicher grün. Mehr als ein Drittel des Weltstromes kommt aus kohlenstoffarmen Quellen, in Deutschland machten erneuerbare Energien 2018 rund 40 Prozent des Strommixes aus. Die Elektromobilität weist aber auch einige Nachteile auf, die Rohstoffbeschaffung für die Herstellung von Batterien ist sehr umweltschädlich, im Kongo vergiften Kobaltminen die hiesige Grundwasservorkommen. Aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs der Elektromobilität, ist Entsorgung ein wichtiger Punkt. Doch nach wie vor gestaltet sich das Recycling der Batterien schwierig. Weitere Nachteile sind die langen Ladezeiten und die geringe Reichweite. Elektromobilität hat auch Leistungsgrenzen, E-Schiffe und große E-LKWs sind sehr unrealistisch. Diese Nachteile, vor allem die umweltschädliche Ressourcenbeschaffung und deren hoher Verbrauch, stehen der Elektromobilität als langfristige Lösung im Weg. 

Bei Wasserstoff hingegen treten viele dieser Hindernisse nicht auf. Doch auch hier gilt es zu differenzieren und die verschiedenen H2-Arten zu betrachten. Zum einen gibt es den Grüne Wasserstoff, der durch Nutzung von erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windkraft produziert wird und somit klimaneutral ist. Zum anderen der Graue Wasserstoff, der unter Einsatz fossiler Brennstoffe erzeugt wird und somit nicht klimaneutral ist. Der Blaue Wasserstoff wird genauso wie der Graue produziert, das freigesetzte CO2 wird aber abgespalten und gesondert abgelagert, was den Blauen Wasserstoff klimaneutral macht. Durch Methanpyrolyse wird Türkiser Wasserstoff hergestellt. Wenn der dafür benötigte Hochtemperaturreaktor mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt wird, ist auch dieses Verfahren klimaneutral. Was sind die Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff? Zum einen die Dekarbonisierung der Industrie, Wasserstoff kann dabei helfen die ganze Wertschöpfungskette eines Unternehmens emissionsfrei zu machen. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff für Fahrzeuge. Ein Kilogramm Wasserstoff hat so viel Energie wie 2,8 Kilogramm Benzin. Außerdem fährt man mit einem Kilogramm Wasserstoff rund 100 Kilometer, während es bei einem Kilogramm Benzin rund 22 Kilometer sind. Hier stellt sich die Frage der Versorgung. Nach der konventionellen Methode wird der Wasserstoff produziert, dann bis 200 bar verdichtet, mit 200 bar transportiert, bei 100 bis 200 bar vor Ort gespeichert und dann genutzt. Hier kommt ein Problem auf: Die CO2-Bilanz der Kraftstoff- und Energiebereitstellung ist für Wasserstoffautos höher als für E-Autos. Deshalb gilt es die Prozesse rund um den Transport, die Verdichtung und die Tankstelle zu optimieren und so emissionsfrei wie möglich zu gestalten. Speicher und Verdichter kann man beispielsweise in einem thermischen H2-Verdichter zusammenfassen, wodurch die Verdichtungsenergie wegfällt. Beim Transport lässt sich der LKW durch eine Pipeline ersetzen, das verringert das Gefahrenpotenzial. Dieses schätzte Herr Kellner sowieso schon als sehr gering ein, es besteht nur eine minimale Brandgefahr aber keine Explosionsgefahr. 

Optimal wäre es, die Produktion direkt vor Ort an der eigenen privaten Tankstelle zu ermöglichen, der Transport fällt dadurch komplett weg. Wie würde so eine Tankstelle Zuhause aussehen? Zum einen braucht man dafür eine Energiequelle, dies kann zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach sein. Dann braucht man noch eine Wärmequelle für die Tankanlage, damit der nötige Druck aufgebaut werden kann um den Wasserstoff zu verflüssigen und ihm somit zu ermöglichen, bei einem Tankvorgang in den Tank zu fließen. Herr Kellners Vision ist es, dezentral H2-Tankstellen zu installieren. Zuhause, auf Parkplätzen, bei Unternehmen und Einkaufszentren. Die Anreize für das dichteste Tankstellennetz weltweit sind die Emissionsfreiheit, das Tanken dauert nur drei bis fünf Minuten, es gibt keine lauten Geräusche, es ist wartungsfrei, der Überschuss ist wiederverwendbar und es generiert Zusatzeinnahmen für den Betreiber. Den Wasserstoff kann man zuhause selbstverständlich nicht nur zum Tanken nutzen, man kann ihn auch zur Stromerzeugung, zum Heizen und zum Kochen verwenden. Als Fazit unterstrich Herr Kellner, dass das Wasserstoffauto dem E-Auto überlegen ist, vor allem wegen dem niedrigeren CO2-Fußabdruck und der Möglichkeit einer Privattankstelle.