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Bericht
07.05.2020
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Bericht aus Brüssel: ‚Der Weg aus der Covid-19 Krise für die europäische Wirtschaft'

Gesprächskreis (Videokonferenz) mit Michael Hager, Kabinettschef des Exekutiv-Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis, zuständig für die europäische Wirtschaft
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Einleitend bedauerte Michael Hager, dass die ersten Antworten auf die COVID-19-Krise sich leider durch kein hohes Maß an europäischer Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den EU Mitgliedsstaaten auszeichneten. So hätten die überall spontan wieder eingeführten Grenzkontrollen zu kilometerlangen Staus von LKWs an zahlreichen innereuropäischen Grenzen geführt. Die von der EU Kommission vorgeschlagenen ‚Grünen Spuren‘ entlang des Europäischen Hauptverkehrsnetzes haben nun erreicht, dass dort der Güterverkehr wieder reibungsfrei fließt. Auch wies er auf die von der EU-Kommission beschlossene temporäre Lockerung des EU-Beihilfenrechts befristet bis Ende des Jahres hin und auf den gemeinsamen EU Beschluss die europäischen Regeln für Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten bis auf Weiteres aussetzen. Erstmalig aktivierte die Behörde damit ‚die allgemeine Ausweichklausel‘ im EU-Stabilitätspakt. Dieser Schritt bedeutet, dass nationale Regierungen vorübergehend so viel Liquidität wie nötig für die Wirtschaft zur Verfügung stellen können, um den direkten wirtschaftlichen Schock erst einmal abzufedern.

 

Zentral sei seiner Meinung nach vor allem das insgesamt gut 540 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfspaket, das aus drei Teilen besteht, aus Krediten für die Mitgliedsstaaten durch den Euro-Rettungsfonds ESM, aus Darlehen und Bürgschaften für kleinere und mittlere Unternehmen von der europäischen Investitionsbank und aus einem Unterstützungsprogramm namens ‚SURE‘ der EU-Kommission für die Finanzierung von Kurzarbeit in allen EU-Ländern.

Die 540 Milliarden Euro kommen nicht aus dem EU-Haushalt, sondern aus gesonderten Töpfen. Auf den ESM beispielsweise hatten sich die EU-Staaten schon vor rund zehn Jahren nach der internationalen Finanzkrise verständigt. Eigentlich sollte er dazu dienen, nur einzelne wirtschaftlich ins Straucheln geratene Euro-Länder zu stabilisieren. Die Europäische Investitionsbank kann selbst Anleihen herausbringen und damit weitere Kredite vergeben, das wird sie in dieser Krise tun. Das Programm für Kurzarbeit ist ebenfalls kreditfinanziert, auch wenn die Mitgliedsstaaten 25 Prozent der Ausgaben dafür garantieren. Neben diesem großen Rettungspaket gebe es weitere kleinere Zahlungen aus dem laufenden Haushalt der EU - etwa für Landwirte, Fischer, für Corona-Forschungsprojekte oder für die Beschaffung von medizinischer Ausrüstung.

 

Hinsichtlich der Forderungen von weiteren Finanzhilfen warnte Michael Hager vor Einseitigkeit und plädierte dafür von einer künstlichen Nord-Süd Debatte abzulassen. Natürlich könne es nicht angehen, dass so mancher nur noch wegen zusätzlichem Geld an Europa interessiert sei. Er plädierte für Solidarität und Objektivität, schließlich seien von dieser Krise alle EU Mitgliedsstaaten betroffen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Daher müsse man sich nun darüber unterhalten auf Basis welcher transparenter Kriterien und Bedarfe welcher Mitgliedstaat welche Hilfe braucht. Herr Hager kündigte hierfür konkrete Vorschläge der EU Kommission noch im Mai 2020 an, so werde man eine Anpassung des Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 -2027 sowie Pläne für einen Wiederaufbaufonds vorlegen. Derzeit berate die EU Kommission mit den Mitgliedsstaaten noch die sehr schwierigen politischen Fragen, beispielsweise ob es sich beim Wiederaufbaufonds um Kredite oder Zuschüsse handeln solle und vor allem nach welchen Kriterien das Geld letztlich verteilt werde.

 

Es sei aber klar, dass die bisherigen Prioritäten der Präsidentschaft Ursula von der Leyens, nämlich der ‚Green Deal‘ und die Digitalisierung weiter Bestand hätten. Allerdings halte er nichts davon, jetzt die Wirtschaft mit zusätzlichen regulatorischen Anforderungen und Klimazielverschärfungen weiter unter Druck zu setzen, sondern sei überzeugt, dass man nun erst einmal langsam wieder Tritt fassen müsse auf Basis dessen was bereits beschlossen sei.

 

Natürlich werde man sich im Rahmen aller Vorhaben von nun an auch die Frage nach Resilienz und verstärkter Krisenfestigkeit in Europa stellen müssen. Man solle darüber nachdenken besonders wichtige Güter oder Vorprodukte beispielsweise im medizinischen Bereich auch wieder in Europa herzustellen. Er glaube aber nicht, dass eine Abschottung vom Weltmarkt der richtige Weg sei, eine globale Arbeitsteilung müsse und werde im Großen und Ganzen weiter bestehen bleiben.