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Bericht
03.06.2020
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Aus den Ländern (Brüssel): Europäischer Wiederaufbaufonds und die Verhandlungen zum EU-Haushalt 2021-2027

Gesprächskreis (Videokonferenz) mit Markus Ferber MdEP, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, zu den Vorschlägen der EU-Kommission hinsichtlich des Wiederaufbaufonds ‚Next Generation EU‘
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Markus Ferber kritisierte zu Beginn die Sichtweise der Vizepräsidentin und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die mit dem Hinweis,  dass derzeit 52% aller in der EU genehmigten Beihilfen in der Bundesrepublik Deutschland flössen, rechtfertigen wollte, dass die Kommission nun vor allem den anderen EU Staaten helfen wolle. Er verwies darauf, dass die Stützung der deutschen Wirtschaft und ihrer Unternehmen aufgrund der Verknüpfung innereuropäischer Wertschöpfungsketten auch indirekt den Unternehmen in den anderen EU Staaten nutzen würde. So importierten nach Berechnungen des IW Köln im Jahr 2019 deutsche Unternehmen Vorprodukte im Wert von 400 Milliarden Euro aus anderen EU Ländern.

 

Des Weiteren forderte Markus Ferber von der EU Kommission Realismus und Transparenz ein. „Zu suggerieren, die Finanzierung des Wiederaufbaufonds ließe sich vor allem mit neuen EU-Eigenmitteln stemmen, ist unrealistisch. Neue Eigenmittel können ein Element der Finanzierungsstrategie sein, reichen aber bei weitem nicht aus, um den Topf von 750 Milliarden Euro zu füllen.“

 

„Die von der EU vorgeschlagene kritisch zu betrachtende Finanztransaktionssteuer kommt nicht voran und ihr Aufkommen wäre in Deutschland ohnehin schon für die Grundrente verplant, bei der Digitalsteuer geht es nicht ohne internationale Lösungen und eine CO2-Grenzssteuer droht einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen.“ Allein das Emissionshandelssystem könnte eine Quelle neuer Eigenmittel sein. „Von den vielen Kommissionsvorschlägen taugen allein die Erlöse aus dem Emissionshandelssystem als neues Eigenmittel. Das ist aber zu wenig, um den Wiederaufbauplan zu finanzieren“, sagte Markus Ferber.

 

Das bedeutet unter dem Strich, dass die EU Kommission mit diesem Vorschlag die Rückzahlung des Wiederaufbaufonds den zukünftigen EU Haushalten der Jahre von 2028 – 2058 aufbürden wolle. Dreißig Jahre lang wäre das Budget der EU also belastet. Des Weiteren hinterfragte Herr Ferber die Rechtsgrundlage des Wiederaufbaufonds. Die EU Kommission berufe sich grundsätzlich auf Artikel 122 des ‚Vertrags über die Arbeitsweise der EU‘. Allerdings könne man sich die Frage stellen, ob es verhältnismäßig sei, sich kurzfristig auf ein Notfallprogramm zu berufen, das langfristig als Folge eine Belastung des EU-Haushaltes und der EU-Mitgliedsstaaten von 30 Jahren nach sich ziehe. Auch für Europa gelte, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.

 

Besonders skeptisch sieht Markus Ferber das Vorhaben der EU Kommission von den 750 Milliarden Euro zwei Drittel als Direktzahlungen an die Mitgliedstaaten vorzunehmen und diese nicht, wie bisher geplant, über ein sogenanntes Reformunterstützungsprogramm mit klaren Konditionalitäten und einer Überprüfung im Rahmen des Europäischen Semesters, umzusetzen.

 

Das hieße, dass die Konditionalitäten völlig unklar seien und eine sinnvolle und zweckmäßige Nutzung dieser Mittel weder garantiert noch vom Europäischen Parlament kontrolliert werden könne. Seiner Meinung nach muss bei allen EU Zahlungen auch immer ein europäischer Mehrwert, beispielsweise grenzübergreifende koordinierte Infrastrukturprogramme, geschaffen werden, so dass die Finanzierungen einen maximalen Nutzen sowohl in den Empfängerländern als auch in der EU insgesamt generieren.

 

Markus Ferber sehe leider insgesamt die Gefahr, dass Probleme wie überbordende Bürokratie, Überschuldung, Reformstau, die bereits vor der Corona-Krise in bestimmten EU Staaten für die wirtschaftliche Misere verantwortlich waren, auch durch den von der EU Kommission geplanten Wiederaufbaufonds nicht gelöst werden. Auch die EZB wird ihr im März 2020 beschlossenes Pandemie-Notfallankaufprogramm weiter in astronomische Höhen aufstocken, obwohl schon das Vorgängerprogramm PSPP zu keinerlei Reformen in den wirtschaftlich schwächeren EU Staaten geführt hat. Die EU Kommission müsse daher trotz aller Schwierigkeiten eine auf absehbare Zeit zementierte Abhängigkeit von billigem Geld in der Eurozone verhindern und finanzielle Hilfen an strukturelle Reformmaßnahmen knüpfen.