Cookie-Einstellungen

Bericht
17.09.2018
Drucken

Amerikanische Verhältnisse im deutschen Rechtssystem?

Das Netzwerk Familienunternehmen & Mittelstand lud gemeinsam mit der international agierenden Großkanzlei Clifford Chance LLP zu einer Informationsveranstaltung ein. Mittelpunkt der Vorträge war die ab 1. November 2018 eingeführte Musterfeststellungsklage.
©None

Die Musterfeststellungsklage ist eine neue Möglichkeit der Klage. Sie kann als eine abgeschwächte Spielart der berüchtigten US-Sammelklage verstanden werden, kann allerdings nur von Verbraucherschutzverbänden genutzt werden. Zeitgleich gewinnt mit Einführung der Musterfeststellungsklage das Thema „kollektiver Rechtsschutz" an Popularität in der deutschen Öffentlichkeit. Schon jetzt treten private Anbieter wie MyRight, Flightright gemeinsam mit Prozess-Financiers dort in Erscheinung, wo es um individuell kleine, kumuliert jedoch nennenswerte Schadenssummen geht. Zusätzlicher Druck auf Unternehmen droht auf europäischer Ebene: Ein EU-Richtlinienentwurf kursiert bereits, der eine der Musterfeststellungsklage ähnliche, aber weitergehende sogenannte „Repräsentantenklage“ vorsieht.

Burkhard Schneider, Partner bei Clifford Chance, gab den Teilnehmern zunächst einen Überblick über die bereits bestehenden Klagemöglichkeiten im Wirtschaftsbereich und stellte dann die beiden geplanten Klagemöglichkeiten und deren Intentionen vor.

 

Ein Unternehmen, welches gegebenenfalls durch eine solche Musterfeststellungsklage betroffen werden könnte, wäre zum Beispiel Fresenius Medical Care. Die Senior Legal Counsel von Fresenius, Dr. Miriam Nabinger, beleuchtete die Musterfeststellungsklage aus Sicht eines Wirtschaftsunternehmen. Als Unternehmensvertreterin sieht sie keine großen Vorteile in dieser Klagemöglichkeit im Vergleich zu den bereits bestehenden Klagen. Da diese Klagemöglichkeit nur von Verbraucherschutzverbänden genutzt werden kann und zum Ziel lediglich die Feststellung eines Fehlverhaltens seitens eines Unternehmens haben, stünden die gebundenen Ressourcen sowohl auf Unternehmens- als auch auf Gerichtsseite in keinem Verhältnis zueinander. „Am schlimmsten an dieser Klage ist eigentlich die Prangerwirkung“, so Dr. Nabinger. „Da die Klage innerhalb von zwei Wochen öffentlich gemacht werden muss, ohne vorher zu verifizieren, ob die Klage gerechtfertigt ist, sind die Reputationskosten für das jeweilige betroffene Unternehmen noch nicht absehbar.“

 

Den Blickwinkel von Gerichtsseite gab Jens Rathmann, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Telekom-Verfahren. Für ihn wirft die Einführung der Musterfeststellungsklage derzeit noch zu viele Fragen auf. Der Nutzen für den Verbraucher ist für ihn nicht klar erkenntlich. Diese müssen nach Abschluss der Musterfeststellungsklage in individuell eigenen Folgeverfahren den jeweiligen Schadensersatz erklagen. „Der deutsche Mittelstand wird außerdem wahrscheinlich kein Ziel einer solchen Klage sein, da die Voraussetzungen für die Erhebung einer Musterfeststellungsklage nicht erfüllt werden können“, schließt Rathmann sein Resümee.