"Die Wirtschaft ist Teil unserer Bevölkerung - und Teil unserer Bevölkerung ist die Wirtschaft"
100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort und rund 500 virtuell zugeschaltete Zuschauerinnen und Zuschauer konnte Prof. Dr. Kristina Sinemus, die Landesvorsitzende des Wirtschaftsrats Hessen und Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, zum hybriden Jahresempfang des Wirtschaftsrats im Kloster Eberbach begrüßen. „Es ist die Aufgabe von uns allen, mit den im Wirtschaftsrat gebündelten Kräften dafür zu kämpfen, dass wir alle Unternehmen, besonders auch die kleinen und mittelständischen, so unbeschadet wie möglich in die nächste Phase geleiten“, bekräftigte sie.
Der Gastredner, Friedrich Merz, umriss die großen Konfliktlinien in dieser „außergewöhnlichen Zeit“: „Wir müssen uns in diesem Land häufiger darüber einig sein, was wir gemeinsam erreichen wollen, als immer nur darüber einig zu sein, was wir gemeinsam möglichst nicht wollen. Es wird zu wenig über die Frage diskutiert, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten können.“ Hierzu bedarf es insbesondere einer Innovations- und Gründungsinitiative, aber auch der Handwerkssektor müsse attraktiver gemacht werden, so Merz. Der Fachkräftemangel könne nur durch die Schaffung von Perspektiven abgewandt werden. Außerdem sei es wichtiger denn je, der jungen Generation mehr Mut zugeben.
Als wichtigsten Punkt wertete der Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.: „Die Unterscheidung zwischen ‚hier die Wirtschaft und da die Bevölkerung‘, muss aufhören. Wirtschaft und Bevölkerung sind eins. Wir gehören zusammen. Die Wirtschaft ist Teil unserer Bevölkerung und Teil unserer Bevölkerung ist die Wirtschaft. Lassen Sie es in der gesamten öffentlichen Diskussion nicht zu, dass dieser künstliche Unterschied so perpetuiert wird, als sei die wirtschaftliche Situation etwas, was außerhalb der Bevölkerung stehen würde – es ist eins.“ Er forderte die Mitglieder auf, diese Kommunikationsaufgabe, die die Politik alleine nicht leisten könne, gemeinsam entschlossen anzugehen. Es müsse jedem Versuch, diese Bereiche semantisch voneinander zu trennen, entschieden widersprochen werden.
Als wichtigen ersten Schritt für die künftige Organisation der Bundesregierung schlug Merz vor, die Verantwortung für die Wirtschafts- und die Arbeitsmarktpolitik in eine Hand zu legen. Erfolgreiche Reformen benötigten den Mut, Arbeitsmarktpolitik nicht länger als Sozialpolitik zu verstehen. Arbeitsmarktpolitik im Wirtschaftsministerium anzusiedeln sei eine wichtige politische und strategische Frage, die die CDU entsprechend behandeln müsse.
Neben zahlreichen innenpolitischen Akzenten, sprach der Vizepräsident des Wirtschaftsrats auch über globale Herausforderungen und den schrumpfenden Einfluss Europas: „Zwei große Pole werden die nächsten Jahrzehnte bestimmen: Amerika, mit seiner hohen technologischen Kompetenz sowie China, mit seiner wirtschaftlichen Stärke und Expansion. Die entscheidende Frage hierbei ist, wo kann sich Europa zwischen diesen beiden Polen ‚weltpolitikfähig‘ platzieren.“
Hierzu sei es wichtig, die eigenen Interessen wahrzunehmen und gegenüber den beiden Weltmächten geschlossen und stark aufzutreten. Nur dann könne die Europäische Union auf dem globalen Parkett ernstgenommen werden.
Zu den ökologischen Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf Deutschland und die gesamte Weltbevölkerung zukommen, erklärt Merz: „Wir haben während der Verdopplung der Wirtschaftsleistung in den letzten Jahren eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um fast 40 Prozent erreicht. Das ist beachtlich. Doch liegt die beschwerlichere Hälfte dieses Marathonlaufs noch vor uns. Wir müssen aber mit realistischen Zielen den Weg zur CO2-Neutralität bis 2050 beschreiten. Dazu gehören neben marktwirtschaftlichen Instrumenten auch der Einsatz modernster Technologie und Wissenschaft. Hierzu braucht es nicht De-Industrialisierung sondern Re-Technologisierung.
In den nächsten Jahren werde auf dem Spiel stehen, ob und wie es Deutschland gelingen wird, seine offene, freiheitliche und liberale Gesellschaftsordnung ausreichend zu schützen. „Besonders im Hinblick auf die Verengung des politischen Meinungsspektrums in der Bundesrepublik Deutschland müssen wir achtsam sein, denn auch der politische Korridor wird immer enger“. Dabei stehe die Politik, aber auch die Bevölkerung, in der Verantwortung zu verhindern, dass die politischen Extreme von links und rechts bestimmen dürfen, worüber in Deutschland noch streitig diskutiert werden dürfe. „Wir müssen die Streitkultur unserer Demokratie erhalten“, so Merz. Dabei sei es wichtig, dass über komplexe Themen, die in den nächsten Jahren weiter von Bedeutung sein werden, ein breiter, offener, toleranter und politischer Dialog miteinander geführt werden könne. „Die Vielfalt und Freiheit der Demokratie gehören genauso zur Republik, wie die Offenheit und Liberalität einer marktwirtschaftlichen Ordnung.“
„Es war selten so wichtig, wieder über Grundentscheidungen in der Politik zu diskutieren, wie genau zu diesem Punkt der Zeitenwende, deren Zeugen wir heute sind und deren Gestaltung wir in unserer Hand haben. Wir müssen dies aber auch wollen“, erklärte der Vizepräsident abschließend.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Diskussionsrunde und das Schlusswort von Prof. Hans Helmut Schetter, Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.