Bericht
07.07.2025
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Digitale Bedrohungslagen im Fokus: Wirtschaft und Sicherheitsbehörden rücken enger zusammen

Die erste Veranstaltung des neugewählten Sektionsvorstandes Rheingau-Taunus widmete sich mit dem Thema „Cybersicherheit“ .
©Wirtschaftsrat Hessen

Zum Auftakt der Amtsperiode des neugewählten Sektionsvorstandes Rheingau-Taunus, unter Leitung von Michael Kalow (Geschäftsführer, Wilde Cosmetics GmbH), stand mit dem Thema Cyberkriminalität eine der drängendsten Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft der heutigen Zeit im Zentrum. Die Veranstaltung machte deutlich, dass Cybersicherheit nicht mehr als rein technische Aufgabe betrachtet werden kann, sondern zur strategischen Führungsaufgabe in Unternehmen geworden ist. Digitale Angriffe bedrohen nicht nur IT-Systeme, sondern ganze Geschäftsmodelle, Lieferketten und das Vertrauen von Kunden und Partnern.

In seinem Impulsvortrag beleuchtete Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime im Bundeskriminalamt, die aktuelle Bedrohungslage und erklärte den interessierten Zuhörern die Struktur der Tätergruppen. Cyberkriminalität habe sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. An die Stelle einzelner technikaffiner Täter seien international vernetzte Gruppen getreten, die arbeitsteilig und hochprofessionell operieren. Grundlage sei ein umfassender Dienstleistungsmarkt im digitalen Untergrund, auf dem kriminelle Akteure spezialisierte Werkzeuge, Zugänge und Infrastrukturen erwerben können – das sogenannte „Crime as a Service“-Modell. Damit sei es möglich, auch ohne tiefgreifende technische Kenntnisse komplexe Cyberangriffe durchzuführen.

Betroffen sind dabei nicht nur Großunternehmen oder staatliche Stellen, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen, welche gezielt oder im Rahmen breit angelegter Erpressungskampagnen angegriffen werden. Der finanzielle Schaden durch Cyberangriffe in Deutschland beläuft sich im laufenden Jahr auf rund 178 Milliarden Euro. Zugleich zeigt sich ein bemerkenswerter Anstieg von Auslandstaten. Die Bedrohungen reichen von wirtschaftlich motivierten Angriffen über Spionage bis hin zu staatlich gelenkten Aktivitäten mit geopolitischem Hintergrund. Besonders kritisch bewertet werden Ransomware-Angriffe, welche auf die Blockierung ganzer IT-Infrastrukturen zielen und Unternehmen lahmlegen können.

Das Bundeskriminalamt verfolgt eine mehrschichtige Strategie zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Neben klassischer Ermittlungsarbeit zur Identifizierung von Tätern setzt das BKA gezielt auf die Zerschlagung krimineller Infrastrukturen und das Einfrieren illegaler Vermögenswerte. Eine zunehmend wichtige Rolle spielt dabei die sogenannte disruptive Kommunikation: Die Behörden lassen bewusst Informationen in den digitalen Untergrund einsickern, um deutlich zu machen, wie weitreichend ihre Kenntnisse über Akteure und Strukturen bereits sind. Dieses Vorgehen zielt darauf ab, das über Jahre aufgebaute Vertrauen innerhalb der kriminellen Gemeinschaft zu erschüttern und deren empfindliche Reputation zu untergraben. Internationale Operationen wie „Endgame“ oder „Qakbot“ zeugen von der zunehmenden Effektivität internationaler Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.

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Dennoch bestehen strukturelle Herausforderungen. Während das BKA für die Strafverfolgung zuständig ist, liegen Gefahrenabwehrbefugnisse ausschließlich bei den Ländern. Eine zentrale, bundeseinheitliche Reaktion auf digitale Angriffe ist damit derzeit nicht möglich. Dies erschwert insbesondere das rasche Eingreifen bei Angriffen mit Ursprung im Ausland, etwa durch die Sperrung von Datenströmen oder die Abschaltung schädlicher Server.

Die Veranstaltung im gerade neu eröffneten Wald.Weit Hotel & Resort in Kiedrich verdeutlichte, dass Cybersicherheit nur im engen Schulterschluss von Staat und Wirtschaft gelingen kann. Unternehmen sind aufgerufen, ihre Sicherheitsarchitektur laufend zu überprüfen und klare Notfallpläne für den Ernstfall zu entwickeln. Gleichzeitig ist politisches Handeln gefragt, um den rechtlichen Rahmen den realen Bedrohungslagen anzupassen. Die Veranstaltung bot dafür einen wichtigen Impuls und setzte ein klares Zeichen für mehr Wachsamkeit und Zusammenarbeit in einer zunehmend digitalen Welt.