Digitale Bildung nach Corona
Die Pandemie stellt unser Bildungssystem vor historische Herausforderungen: Der Unterricht musste von einem Tag auf den anderen in den virtuellen Klassenraum verlagert werden. Während es einigen Vorreiterschulen gelang, zügig auf digitalen Fernunterricht sowie digitale Lernformen umzusteigen, taten sich andere Schulen schwer. Schnell wurde deutlich, wie groß die Digitalisierungsunterschiede zwischen den Schulen sind. „Die Pandemie drängt uns damit mehr denn je die Frage auf, wie wir unser Bildungssystem zukunftsfähig machen können und der Forderung der Wirtschaft nach Fachkräften nachkommen“, betonte Biju Pothen, Sprecher des Netzwerkes Innovation & Technologie sowie Mitglied des Boards of Executives der PASS IT-Consulting.
In seinem Vortrag blickte Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz daher auf bereits initiierte Digitalisierungsmaßnahmen in der Zeit vor und während der Corona-Pandemie und gab zudem einen Ausblick auf die Gestaltung der Schule der Zukunft. „Es ist nicht so, als hätten wir das Thema Digitalisierung nicht auf dem Schirm gehabt“ unterstrich Prof. Lorz mit Blick auf die schon vor der Pandemie ergriffenen Schritte. Unter anderem zahlte das Land Hessen den Kommunen mit dem Programm „Schule@Zukunft“ Millionenbeträge für die digitale Technik in Schulen aus. 2016 verabschiedete die Kultusministerkonferenz (KMK) das Konzept „Bildung in der digitalen Welt“. 2019 wurde das Landesprogramm „Digitale Schule Hessen“ aufgelegt und zusätzlich erhielt das Land eine Summe von 500 Millionen Euro aus dem Digitalpakt des Bundes. „Wir wähnten uns mit dem Programm ordentlich aufgestellt - doch dann kam Corona“, resümierte der Minister.
„Bislang sollten digitale Medien den Präsenzunterricht begleiten, modern und spannend machen. Ein Konzept für digitalen Distanzunterricht gab es bis März 2020 nicht“, unterstrich Prof. Lorz und erklärte: „wir mussten improvisieren.“ Alle Digitalisierungsprogramme wurden beschleunigt und zahlreiche Maßnahmen auf dem Gebiet von Hard- wie Software ergriffen. „Wir haben Schüler*innen mit digitalen Endgeräten versorgt. 85.000 Stück wurden bereits ausgeteilt, weitere 25.000 stehen noch aus“, informierte der CDU-Politiker. Auch für die Lehrkräfte wird das Land jetzt 70.000 Geräte beschaffen, brachte für sie eigene E-Mail-Accounts auf den Weg und stellte den kommunalen Schulträgern auch aus Bundesmitteln 50 Millionen Euro zur Anstellung von Systemadministratoren bzw. IT-Supportern zur Verfügung. Im Softwarebereich wurde sowohl das Schulportal Hessen als auch die Plattform „MUNDO“ mit digitalen Unterrichtsmaterialien ausgebaut. „Noch fehlt uns zudem ein eigenes Videokonferenzsystem“, erläuterte Prof. Lorz, „Doch zum Beginn des neuen Schuljahres werden wir ein eigenes Videokonferenzsystem haben, welches allen Regeln des Datenschutzes entspricht.“
„Die Schule nach Corona wird eine andere sein. Durch die Digitalisierung wird die Schule der Zukunft sehr viel flexibler funktionieren. Schüler werden viel mehr mit individuellen Arbeitsaufträgen entsprechend ihres Lernstandes arbeiten“, prognostizierte der Kultusminister. Demnach muss sich auch die Lehrkräfteausbildung verändern. „Wir werden ein neues Lehrerausbildungsgesetz in den Landtag einbringen, welches Digitalisierung zum notwendigen Bestandteil der Lehrerausbildung in Hessen macht“, sagt Prof. Alexander Lorz zu.
„Dringenden Handlungsbedarf in der Lehrerfortbildung“ sah auch Udo Krauß, der in einem kurzen Impuls das Positionspapier „Bildung und Digitalisierung“ der Landesfachkommission „Bildungs- & Arbeitsmarktpolitik“ des Wirtschaftsrates Hessen vorstellte. Er forderte, die digitale Infrastruktur der Schulen weiterhin zu verbessern und die Verteilung der digitalen Endgeräte, durch das Prinzip „bring your own device“ zu ersetzen. Familien, denen dies aus finanziellen Gründen nicht möglich wäre, sollen hier mit einem Zuschuss bedacht werden, so der Kommissionsvorsitzende.
In der Fragerunde forderten die anwesenden Mitglieder des Wirtschaftsrates ferner, Regelungen des Datenschutzes sowie der Vergabe – und Ausschreibungsverfahren, in Ausnahmesituationen wie der Pandemie zu beschleunigen oder temporär auszusetzen. Insgesamt bedürfe es pragmatischerer, schnellerer Lösungen bei der Digitalisierung der Schulen, so die Position der hessischen Unternehmer.