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Pressemitteilung 08.08.2022
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Fachkräftesicherung – Fokus auf das Nötige, Machbare und Erreichbare

Paneldiskussion des Unternehmernetzwerks Familienunternehmen und Mittelstand

Das Unternehmernetzwerk Familienunternehmen und Mittelstand des Wirtschaftsrats Hessen lud Vertreter aus Politik und Wirtschaft zur Paneldiskussion über die Ursachen der Schwierigkeiten von Unternehmen bei der Fachkräftesicherung insbesondere auch im Handwerk ein. Diskussionsteilnehmer waren Bernd Ehinger, Ehrenpräsident der Handwerkskammer Rhein-Main; Heiko Kasseckert MdL, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft Energie, Verkehr und Wohnen des hessischen Landtags und Andreas Falk, Geschäftsführender Gesellschafter, FK Logistik Spezialtransporte & Betriebsumzüge GmbH & Co. KG. Moderiert wurde die Diskussion von Erhard Seeger, Geschäftsführer der 100% RE IPP GmbH & Co. KG und Sprecher des Unternehmernetzwerkes Familienunternehmen und Mittelstand des Wirtschaftsrats Hessen.

Als Gründe für den inzwischen branchenübergreifenden akuten Mangel an qualifizierten und qualifizierungsfähigen Arbeitskräften haben die Panellisten übereinstimmend eine verfehlte Bildungspolitik und die jahrzehntelang ignorierten Folgen der Demographie benannt. Die infolge der PISA-Studien angestoßene Akademisierung zulasten des dualen Bildungswegs für praktische Berufe im Handwerk und produzierenden Gewerbe treffen Unternehmen der Handwerksbranche weitaus härter als andere Branchen.

Diese Folgen lassen inzwischen mangels ausreichender Handwerkerzahlen politisch gewünschte Projekte wie die Energie- und Wärmewende völlig illusorisch erscheinen, da es an den erforderlichen Kapazitäten im Handwerk für die Umsetzung fehlt. So sind die durch die neue Bundesregierung in Berlin formulierten Zielvorgaben, wie etwa 400.000 neue Wohnungen jährlich zu bauen, oder 500.000 Wärmepumpen pro Jahr zu installieren, nicht zu erreichen.

Die Teilnehmer sind sich einig, dass  ein fundamentaler Kurswechsel dringend erforderlich ist. Primär muss die Bildungspolitik von der weiteren Akademisierung zu einer Stärkung der praktischen Ausbildung umsteuern. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Korrektur der Lehrpläne in den Schulen, so muss der Werk- und Handarbeitsunterricht wieder Pflichtfach werden. Ebenfalls wird eine Werbeoffensive benötigt, die Schülerinnen und Schüler die Vorteile, Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten in handwerklichen Berufen näher bringt. Dazu bietet sich auch eine intensivere Vernetzung zwischen Schulen, Handwerkskammern, Verbänden, Unternehmen und Handwerksbetrieben an. Dies stärkt auch wieder das seit vielen Jahren ständig sinkende Image von praktischen bzw. handwerklichen Berufen und hilft so, mehr junge Menschen für diese Branchen zu gewinnen, die derzeit – häufig fehlgeleitet und mit einer hohen Abbrecherquote – an die Fachhochschulen und Universitäten streben. Hierbei gilt es die vielen Vorzüge dieser Berufe herauszustellen.

„Es muss wieder klarwerden, dass die Gesellschaft die Handwerker zwingend braucht und dies keine geringerwertige Ausbildung im Vergleich zu einer akademischen Ausbildung ist. Darüber hinaus gilt es, die Durchlässigkeit der Ausbildungswege viel stärker als bisher zu betonen. Der handwerkliche Beruf und dessen Bedürfnisse muss dringend und umgehend bildungspolitisch höchste Priorität erhalten, damit er für junge Menschen wieder eine attraktive Alternative zum heutigen Standardweg Abitur und Studium wird. Ein wichtiger Ansatz hierfür ist eine deutlich zu steigernde gesellschaftliche Anerkennung der Kombination eines Schulabschlusses und einer Berufsausbildung, die bei Eignung und Wunsch auch später noch den Weg an die Fachhochschule oder Universität ermöglicht,“ erläutert Andreas Falk, Geschäftsführender Gesellschafter, FK Logistik Spezialtransporte & Betriebsumzüge GmbH & Co. KG. 

Erhard Seeger, Sprecher des Unternehmernetzwerks Familienunternehmer und Mittelstand des Wirtschaftsrats Hessen, führt weiter aus: „Der jahrzehntelang verschlafene demographische Wandel trifft die umlagenfinanzierten deutschen Sozialversicherungssysteme bereits jetzt hart. Die Situation wird sich auch aufgrund der nun sukzessive in Rente gehenden geburtenstarken Jahrgänge weiter drastisch verschlechtern, ohne dass die Politik durch entsprechende Reformen im Sozialversicherungsrecht gegensteuert. Problematisch ist seit Einführung der sog. Hartz-Reformen, dass Erwerbstätige, die zu ihrem Lohn zusätzlich Arbeitslosengeld II als sogenannte „Aufstocker“ erhalten, wegen nicht aufeinander abgestimmter Förder- und Unterstützungsregeln überlegen müssen, ob sie tatsächlich mehr arbeiten wollen, wenn sie dadurch am Ende des Monats nicht mehr oder gar weniger netto auf dem Konto haben.“

Als weitere Schlüssel zur Verbesserung der Situation wurde die aktive und gezielte Anwerbung von qualifizierten und qualifizierungsfähigen und -willigen Arbeitskräften im Ausland identifiziert. Wichtig ist allerdings die Vermeidung einer Kannibalisierung der ausländischen Arbeitsmärkte. Zusätzlich muss die klare Vorgabe des Spracherwerbs, der für eine Integration im Arbeitsmarkt unverzichtbar ist, beachtet werden.

Dagegen führt die Sozialpolitik der Ampelkoalition, die jüngst die Abschaffung der Sanktionen für Hartz IV-Empfängerbeschlossen hat, in die Irre. Um dem massiven Arbeitskräftemangel im Bereich der unqualifizierten und gering qualifizierten Tätigkeiten - wie beispielsweise im Gastronomie- und Veranstaltungsbereich - zu begegnen, senden diese politischen Entscheidungen die falschen Signale.

„Statt abstrakter politischer Vorgaben, die im politischen Überbietungsprozess ständig verschärft werden, bedarf es wieder eines Blicks für das Nötige, Machbare und Erreichbare“, erklärt Andreas Falk abschließend.


Als Grundlage für diese Veranstaltung diente das Positionspapier „Fachkräftesicherung für Hessen“ der Landesfachkommission Mittelstandspolitik. Das Papier finden Sie hier.