Staatssekretärin Dr. Sonja Optendrenk und weitere Experten über die Zukunft des Gesundheitswesens

Die Sektion Frankfurt am Main des Wirtschaftsrates diskutierte mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitsversorgung zum Thema „Investieren in den deutschen Gesundheitsmarkt – Kann man mit Gesundheit noch Geld verdienen?“ über die wirtschaftliche Zukunft des deutschen Gesundheitswesens. Unter der Moderation von Aguedita Afemann, Landesgeschäftsführerin des Landesverbands der Privatkliniken in Hessen e.V., wurde gleich zu Beginn deutlich, dass der Gesundheitssektor im Wandel steht – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strukturell. Im Fokus der Diskussion standen die wirtschaftliche Zukunft des Gesundheitswesens, die Folgen der Krankenhausreform sowie die Rolle innovativer Finanzierungsmodelle in der Versorgung.
Dr. Sonja Optendrenk, hessische Staatssekretärin im Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, betonte, dass Strukturreformen im Gesundheitswesen überfällig seien. Entscheidend sei die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Einrichtungen, nicht ihre Trägerschaft: Ob privat, gemeinnützig oder kommunal – am Ende müsse die Versorgung funktionieren. Investitionen allein reichten nicht, es brauche auch qualifiziertes Personal und klare Rahmenbedingungen. Im Umgang mit investorengetragenen MVZ plädierte sie für weniger parteipolitische Debatten und mehr Regulierungssicherheit. Strukturreformen und gezielte Fördermittel müssten zusammen gedacht werden, mit weniger Bürokratie und einer engeren Verzahnung von Bedarfs- und Krankenhausplanung.
Dr. Jürgen Dieter, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städtetages, zeichnete ein ernüchterndes Bild der kommunalen Lage: Viele Städte und Gemeinden seien finanziell völlig ausgelaugt, besonders seit den Krisenjahren 2022 und 2023. Wenn Träger wegfielen, stünden die Kommunen oft hilflos da. Die Frage, ob man mit Gesundheit Geld verdienen dürfe, sei angesichts der aktuellen Lage überholt, stattdessen müsste man froh sein, wenn überhaupt noch Versorgung gewährleistet werde. Auch der Idee, das Sondervermögen jetzt als Rettung zu sehen, begegnete Dieter mit Skepsis: Es handele sich letztlich um „Sonderschulden“, die die strukturellen Probleme der Länder- und Kommunalhaushalte nicht lösten.
Manuel González, Aufsichtsratsvorsitzender bei der DRK Krankenhausgesellschaft Süd-West mbH, ging auf die Entscheidung seiner Trägergesellschaft, sich in mehreren Fällen aus der Krankenhausversorgung zurückzuziehen, ein. Hier handelte es sich nicht um fehlendes Engagement, sondern die Rahmenbedingungen ließen eine wirtschaftlich tragfähige Weiterführung nicht mehr zu. Fachkräftemangel, geringe Auslastung und unerfüllbare Qualitätsanforderungen machten eine stabile Versorgung zunehmend unmöglich. Für ihn stehe fest: Die Krankenhausstrukturreform sei notwendig, aber sie müsse so gestaltet sein, dass sie Innovationen ermögliche, denn ohne Rendite gebe es keine Weiterentwicklung. Es gehe dabei nicht allein um Effizienz, sondern vor allem um Effektivität und um die Frage, wie eine verlässliche Versorgung der Menschen in der Region gesichert werden könne.
Hauke Burkhardt, Leiter Unternehmensfinanzierung, Deutsche Bank AG, warb für einen realistischen Blick auf den Gesundheitsmarkt als Investitionsfeld. Innovationen seien unverzichtbar, allerdings nur möglich, wenn auch ausreichend Cashflow vorhanden sei. Zwischen der Erbringung von Leistungen und deren Finanzierung bestehe ein permanentes Spannungsfeld, das nicht zulasten der Patientinnen und Patienten aufgelöst werden dürfe. Verlässliche Renditen seien daher kein Widerspruch zur Gemeinwohlorientierung, sondern eine Grundvoraussetzung für Investitionen. Regulierung spiele dabei eine zentrale Rolle als Garant für Planungssicherheit. Es gebe nicht zu wenige Investoren, so Burkhardt, sondern zu wenige Anreize und rechtliche Verlässlichkeit, um deren Kapital nachhaltig im System zu halten.
Sibylle Stauch-Eckmann, CEO der Ortheum GmbH, nahm den ambulanten Bereich in den Blick. Sie kritisierte, dass die Krankenhausreform den ambulanten Sektor weitgehend ausklammere. Die vorhandene Infrastruktur sei auf die geplante Ambulantisierung nicht vorbereitet. Gleichzeitig steige der wirtschaftliche Druck: Praxisnachfolger seien kaum zu finden, Sitze für Ärztinnen und Ärzte seien rar, und auch die Professionalisierung kleiner ambulanter Einheiten bringe steigende Personalkosten mit sich. Zudem sei es wichtig, beim Thema Regulierung nicht nur immer den Fokus auf investorengetragene Medizinische Versorgungszentren zu richten, sondern alle MVZ-Formen fair und einheitlich zu behandeln sowie zunächst für Transparenz zu sorgen.
Die Diskussion machte deutlich: Der deutsche Gesundheitsmarkt steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der ohne strukturelle Reformen und klare finanzielle Perspektiven nicht zu bewältigen ist. Versorgungssicherheit muss dabei oberstes Ziel bleiben – unabhängig vom Trägermodell. Damit Innovation und Investitionen möglich werden, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen, eine ausgewogene Regulierung und den Mut zur Veränderung.