Post-Brexit: Neue Herausforderungen für die Wirtschaftsbeziehungen
Das Netzwerk Internationaler Kreis des Landesverbandes Hessen des Wirtschaftsrats diskutierte mit Mark Weinmeister, dem hessischen Staatsekretär für Europaangelegenheiten, Stephan Lutz, Partner Financial Services, PricewaterhouseCoopers GmbH sowie Holger Kunze, Geschäftsführer European Office, VDMA zum Thema Post-Brexit-Konsequenzen auf die wirtschaftlichen Beziehungen in Europa.
Nach langem und zähem Ringen hat das Vereinigte Königreich zum 31. Dezember 2020 den
europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. „Im Moment herrscht Chaos beim Zoll, auch die Lieferketten könnten unsicher sein und der Finanzsektor ist daher sicherlich in Frage gestellt“, machte Carola Paschola, Netzwerkssprecherin Internationaler Kreis zu Beginn deutlich.
Mit der Verabschiedung des Abkommens ergeben sich neue Herausforderungen für die Führung der Geschäftsbeziehungen. „Wir hätten uns etwas anderes gewünscht, aber ein Abkommen ist in der Tat besser als kein Abkommen", erklärte Mark Weinmeister in seiner Keynote. “Die Frage der Finanzdienstleistungen ist noch nicht geklärt. Es muss eine Struktur geschaffen werden, um die Umsiedlung in geordneter Weise durchzuführen. Dazu wird es ein Finanzforum geben, welches die nötigen Rahmenbedingungen dafür aufzeigt - die endgültige Entscheidung liegt allerdings in den Händen der Kommission“, so der hessische Staatssekretär für Europaangelegenheiten. Darüber hinaus lobte er: „Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung im Finanzsektor erlebt. Es gibt 33 neue Finanzdienstleister in Frankfurt“. ,,Insgesamt habe der Gesamtumsatz zwischen Hessen und Großbritannien sogar zugenommen und die Zahlen erholten sich langsam seit März'', erklärte Weinmeister. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Frage des Euro-Clearings und dessen Folgen für die europäische Wirtschaft.
Stephan Lutz konkretisierte in seinem Impuls die Post-Brexit-Perspektive der Finanzdienstleistungsbranche: „Vor dem Brexit gab es drei große Standorte, in die Finanzdienstleister umziehen wollten - Dublin, Paris und Frankfurt. Jetzt, nach Dezember 2020, geht es darum, dass Deutschland und Frankreich die wichtigsten Zentren werden“, erklärt er. Lutz konstatierte: „Es ist allerdings fraglich, ob es einen klaren Gewinner gibt. Die neuen Implementierungen müssen sorgfältig angepasst werden und die meisten Institutionen befinden sich tatsächlich in einem Umplanungsprozess“.
Im Nachgang erklärte Holger Kunze, Geschäftsführer European Office, VDMA die Auswirkungen des britischen Austritts aus Industrie-Perspektive: „Es besteht soweit Zollfreiheit und keine Quotenbeschränkungen, jedoch braucht man Kontrolle und Zollformalitäten, die auf beiden Seiten durchgeführt werden müssen“, forderte der VDMA-Geschäftsführer. Die technischen Produktanforderungen sind weiter harmonisiert, indem sie sowohl europaweit geregelt sind als auch auf den britischen Inseln gelten. „Dennoch existiert eine ganze Reihe von formalen Anforderungen, die in der Praxis zeitraubende Probleme verursachen und den Handel behindern“, so Kunze. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Gesetzgebung für den Binnenmarkt in Großbritannien in Zukunft anders aussehen wird. Aus diesem Grund könnte der Handel in Schwierigkeiten geraten“, beschrieb er abschließend.