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Bericht
11.10.2022
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Steigende Kosten, Inflation und Fachkräftemangel – Gibt es in Deutschland eine Lohn-Preis-Spirale?

Diskussion des Netzwerks Arbeit 4.0
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Kann man in Deutschland angesichts steigender Energie- und Lebensunterhaltskosten, Inflation und den Kampf um Fachkräfte mittlerweile von einer Lohn-Preis-Spirale sprechen? Diese Frage stellte das Netzwerk Arbeit 4.0 des Wirtschaftsrates Hessen den auf dem Podium vertretenden Arbeitnehmern und –gebern.

Zunächst informierte Spyros Andreopoulus, Chefvolkswirt der BNP Paribas S.A., die Teilnehmer, dass die derzeitige Inflation eine angebotsgetriebene Inflation ist, welche „in der Regel sehr kurzlebig sind und in sich schon ihr eigenes Ende tragen.“ Allerdings hätten sich der Finanzsektor und die Wirtschaft angesichts der Lage ein schnelleres Handeln der Europäischen Zentralbank gewünscht.

DGB-Bezirksvorsitzender Michel Rudolph will momentan noch nicht von einer Lohn-Preis-Spirale sprechen, da „alle Tarifverhandlungen nicht über der Inflation von 10 Prozent liegen.“ Er selber hält eine Einmalzahlung an Arbeitnehmer auch nicht für sinntragend. „Alle Gewerkschaftler benötigen eine Lohnerhöhung in der Tabelle. Bei der Auszahlung von nur einer Einmalzahlung droht eine ständige Aufreibung in Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und –nehmerseite.“ Angesicht der realen Gefahr des Arbeitsplatzverlustes kommt für die Gewerkschaften dem staatlichen Handeln eine große Bedeutung zu. Für Rudolph ist das Ende aber noch lange nicht in Sicht.

Kai Uwe Gotthardt, Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens mit 22 Mitarbeitern aus dem Lahn-Dill-Kreis, berichtete, dass bei ihm in der Region die Löhne ständig angepasst werden müssen, nicht nur aufgrund der Inflation und gestiegenen Preise. „Im Lahn-Dill-Kreis herrscht ein hoher Druck durch die starke Konkurrenz und den akuten Fachkräftemangel. Meine Mitarbeiter werden deswegen bereits überdurchschnittlich bezahlt, da sie sonst zu anderen großen Unternehmen abwandern würden.“ Gotthardt findet, dass die Einmalzahlung ein gutes Instrument ist, um den Mitarbeitern angesichts der hohen Kosten zu helfen. „Aber welches Unternehmen kann sich das noch leisten?“, hinterfragte der Unternehmer gleichzeitig. „Ich bin eigentlich immer sehr optimistisch gewesen, aber auch bei mit schwindet der Optimismus gerade. Ich weiß nicht, wo die Reise noch hingehen wird.“

Präsident des kommunalen Arbeitgeberverbandes in Hessen, Dr. Bastian Bergerhoff, vertritt ein sehr heterogenes System aus großen und kleinen sowie sehr diversen kommunalen Unternehmen. Ähnlich wie Gotthardt findet er die Einmalzahlung ein sehr gutes Mittel, um sofort zu helfen. „Wie wir ja von Herrn Andreopoulus gehört haben, ist die Inflation endlich.“ Für Bergerhoff ist klar, dass Bund und Länder über die Zeit bis Krisenende helfen müssen, aber für ihn ist auch genauso klar, dass sie nicht die einzigen Helfer bleiben können. „Gleichzeitig müssen wir auch den akuten bereits angesprochenen Fachkräftemangel bekämpfen. Dabei wird auch mehr Lohn keine Abhilfe leisten können.“

Derzeit sehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Planungssicherheit – weder für große noch für kleine Unternehmen. Zwar bringen der Gaspreisdeckel und ggf. der Strompreisdeckel wieder etwas mehr Planbarkeit, aber viele Unternehmen zögern mit Investitionen, ob in Forschung, Infrastruktur oder Mitarbeiter. „Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung die Möglichkeit der Kurzarbeit verlängert hat“, so Gotthardt abschließend. „Ich müsste sonst Mitarbeiter entlassen, welche ich dann aber wahrscheinlich nicht wieder zurückkriege, wenn die Krise überstanden ist.“

Alle Diskutanten waren sich am Ende einig darin, dass eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft der Kampf gegen den Fachkräftemangel sein muss. Die momentane Situation aus gestiegenen Kosten und Inflation wird ein Ende haben. Dem Arbeitnehmer wird dabei durch die Krise geholfen werden – ob mit einer Einmalzahlung oder eines dauerhaften Lohnanstieges. Aber der Fachkräftemangel wird auch danach für die Wirtschaft und die Arbeitgeber ein großes Problem darstellen. Hier könnten ein qualifiziertes Einwanderungsgesetz, attraktive Ausbildungsangebote und kürzere sowie effizientere Genehmigungsprozesse in den Behörden aus Sicht der Podiumsteilnehmer helfen.