"Unsere Unternehmen dürfen nicht unter Generalverdacht gestellt werden"
„Das hessische Justizministerium und auch die gesamte Union, lehnt den Entwurf in seiner aktuellen Fassung entschieden ab. Die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität ist für uns ein wichtiges Anliegen, dem man sich widmen muss – unsere Unternehmen dürfen dabei aber nicht unter Generalverdacht gestellt werden“, erklärt Eva Kühne-Hörmann.
Da das deutsche Strafrecht die Bestrafung juristischer Personen nicht zulässt, können diese keine Straftaten, sondern nur Ordnungswidrigkeiten begehen, welche mit einer Geldbuße nach dem OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) geahndet werden und auf eine maximale Bußgeldhöhe von 10 Mio. Euro begrenzt ist. Dies soll sich künftig ändern. Die Ministerin bekräftigt: „Unternehmenssanktionen sollten gegenüber der strafrechtlichen Verfolgung der individuellen Täter nachrangig bleiben. Dieses Grundprinzip bestimmt unser Strafrecht.“
Margit Dietz, Geschäftsführerin der Jean Bratengeier Bau GmbH und Vorsitzende der Landesfachkommission Mittelstandspolitik, warnte eindringlich vor dem bürokratischen und finanziellen Aufwand, der für mittelständische Betriebe aus dem Gesetz in seiner jetzigen Form entstehen würde. Ein solches Gesetz würde auch rechtstreue Unternehmen erheblich belasten, weil es u.a. auch kleine Betriebe faktisch zur Einrichtung eines Compliance-Systems zwinge. Es sei für Unternehmen schlicht unzumutbar, Aufgaben der Staatsanwaltschaft zu übernehmen und gegen sich selbst zu ermitteln. „Das Vergehen einzelner weniger, wird als Begründung genommen, den Mittelstand in überbordendem Maß zu belasten. Man erkennt eine immer stärkere Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft. Dies stellt sich langfristig als Standortnachteil dar. Mit unseren vorhandenen Ressourcen ist all das, angesichts der Krise, kaum noch zu stemmen.“ Neben zahlreichen Kritikpunkten bemängelt die Kommissionsvorsitzende zudem, dass die Einwände aus den zahlreichen Stellungnahmen bisher ungehört verhallten.
Auch der Landtagsabgeordnete Christian Heinz, bekräftigte diese Meinung: „Wenn die Strafverfolgungsorgane in Deutschland so funktionieren, wie sie sollen – und das tun sie, wird ein solches Gesetz nicht benötigt. Der Gedanke dahinter ist grundsätzlich ein wichtiger, jedoch muss ein Kompromiss mit Maß und Mitte geschaffen werden und keine Überregulierung.“ Er appelliert daher an den Gesetzgeber, die vorgebrachten Bedenken ernst zu nehmen.
In der ausgiebigen Diskussion, moderiert durch den Netzwerksprecher Familienunternehmen & Mittelstand, Erhard Seeger, hatten die hessischen Unternehmer die Chance, ihre Stellungnahme abzugeben und die weitreichenden Änderungen für Unternehmen kontrovers zu diskutieren, bevor der Entwurf am 18. September 2020 im Bundesrat erstmals behandelt wurde. Die Justizministerin bat die Landesfachkommission Mittelstandspolitik explizit um die Aufbereitung konkreter Beispiele aus der Unternehmenspraxis, um in der weiteren Debatte die Fehlwirkung des Gesetzes noch besser darlegen zu können.