Abrupter Stopp russischer Gaslieferung schadet vor allem Deutschland
Landesfachkommission Umwelt- und Energiepolitik des Wirtschaftsrats Hessen fordert geordnete Strategie mit Russland und Entlastungen bei den staatlichen Energiezusatzkosten für Verbraucher
Die Landesfachkommission Umwelt- und Energiepolitik des Landesverbands Hessen des Wirtschaftsrats der CDU e.V. warnt vor einem Totalausfall russischer Gaslieferungen nach Deutschland. Wer einen sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen fordere, müsse wissen, dass der daraus resultierende Schaden für Russland in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Schaden stehe, den Deutschland erleiden würde, so die Landesfachkommission. „Sanktionen müssen rational betrachtet und das Verhältnis von Eigenschaden zur Strafwirkung berücksichtigt werden“, sagt Björn Vortisch, Vorsitzender der Landesfachkommission Umwelt- und Energiepolitik des Wirtschaftsrats Hessen sowie Partner des Energiedienstleisters enexion in Schwalbach am Taunus. Ein abruptes Ausbleiben russischer Gaslieferungen könnte die deutsche Wirtschaft in einer ohnehin schon dramatischen Situation mit aktuell einer Verfünffachung der marktseitigen Strom- und Gaspreise nicht kompensieren.
Der Vorsitzende der Landesfachkommission begrüßt die Position der Bundesregierung, dem wachsenden Druck nach einem vorschnellen Ausstieg aus den Gasimporten bisher nicht nachgegeben zu haben. Allerdings hat Vortisch angesichts der Ausnahmesituation, in der sich politische Entscheider seitdem Ukraine-Krieg befinden, weniger Vertrauen in die rationale Verlässlichkeit von Regierungsentscheidungen. „Wir müssen befürchten, dass Gas aus Russland nicht mehr fließt“ – entweder weil Deutschland europäischen oder US-amerikanischen Begehrlichkeiten folge und doch die Einfuhren stoppe oder Russland von sich aus den Gashahn zudrehe. „Welches Interesse hat Russland, Deutschland genauso lange Gas zu liefern, bis es nicht mehr benötigt wird? Es kann durchaus sein, dass die russische Regierung in einer Art Gegenschlag die Gasexporte stoppt“, so Vortisch. Das Vorgehen der Bundesregierung, Vorbereitungen für eine Gas-Triage anzugehen ist somit richtig. Auch die Reduzierung der Öl-Importe aus Russland ist rationaler, da hier grundsätzlich Ersatz verfügbar ist.
Abgestimmter „Exit-Plan“
Der Energie-Manager betont die Forderung der
Landesfachkommission Umwelt- und Energiepolitik nach einem abgestimmten
„Exit-Plan“. Deutschland befinde sich im internationalen Vergleich in einer
Sonderrolle und müsse trotz aller notwenigen Sanktionsbemühungen gegenüber Russland
auf rationaler Ebene zu einer Übereinkunft kommen, die ermögliche, dass die
weitere Gasversorgung abgestimmt verlaufe. Dies helfe auch anderen EU-Ländern,
die stark auf Gas gesetzt haben. Mit einer Quasi-Verstaatlichung von deutschen
Ablegern russischer Energieunternehmen sei das Problem noch nicht aus der Welt.
„Das füllt die Gasspeicher nicht. Wir müssen analog der amerikanischen
Außenpolitik bei kritischen Gütern einen Minimalkonsens mit Russland finden“,
betont Vortisch der Chancen sieht, dass Russland dann auch Lieferzusagen
einhalten werde: „Bisher zumindest hat Russland die Energieverpflichtungen
gegenüber Deutschland eingehalten.“
Ohnehin ist für den Vorsitzenden der Landesfachkommission der Ukraine-Krieg
nicht allein der Preistreiber auf dem deutschen Energiemarkt. „Wir hätten auch
ohne diesen Krieg mindestens eine Verdoppelung der Strom- und Gaspreise
erlebt“, erläutert Vortisch.
Wesentlicher Bestandteil der von ihm geforderten Exit-Strategie ist eine
Laufzeitverlängerung der bestehenden Kohle- und Kernkraftwerke. „Wenn wir Gas
sparen und gleichzeitig eine verlässliche Energieversorgung gewährleisten
wollen, müssen wir die Kraftwerke länger am Netz lassen.“ Der geplante
beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien helfe kurzfristig nicht. Sie leisteten
auf absehbare Zeit noch keinen ausreichenden Beitrag zur Sicherung der
Versorgungssicherheit, wenn gleichzeitig große Grundlastkraftwerke schnell
abgeschaltet würden.
Schäden durch die Energiekrise begrenzen
Um jetzt schnell für eine Entlastung von Wirtschaft und
Verbrauchern zu sorgen, gehörten auch die Belastungen durch den europäischen
und nationalen Emissionshandel auf den Prüfstand. „Die im internationalen
Vergleich auf Rekordwerte angestiegene CO2-Bepreisung treibt derzeit zusätzlich
die Strompreise erheblich. Wann, wenn nicht in einer Energiekrise mit sowieso
schon einmalig hohen Energiekosten sollte hier eine maßvolle Begrenzung, wie
sie z. B. US- Bundesstaaten bereits realisiert haben, von der Politik
angegangen werden? Dies gibt der vorhandene regulatorische Rahmen über die
sogenannte Marktstabilitätsreserve jederzeit her“
Schnell umsetzbar, einfach und wirksam sind für die Landesfachkommission zudem
Steuersenkungen, um Verbraucher und Unternehmer zu entlasten. „Erdgas-,
Mineralöl-, Strom- und Mehrwertsteuer zu senken, verschafft unmittelbar
Entlastung und ist allemal effizienter als ein kompliziertes und bürokratisches
Umheben von Steuerlasten.“ Schließlich ist auch zu prüfen, inwieweit die
Gasförderung in Deutschland ausgeweitet werden kann – aufgrund der deutlich
höheren Preise für Fracking-Gas aus den USA seien hier wirtschaftliche
Potenziale neu zu bewerten, so Vortisch.