Wirtschaftsrat Hessen sieht Klimapaket der großen Koalition als ersten, allerdings begrenzten Schritt in die richtige Richtung
Der Wirtschaftsrat Hessen begrüßt den Einstieg in die umfassende marktbasierte Preisbildung für Treibhausgasemissionen und unterstützt den Ansatz der Kostenneutralität des Klimapakets. Gleichzeitig bedauert er jedoch die lange Einführungsdauer und die damit verbundene Einschränkung der Marktmechanismen.
Frankfurt/Main, 25. September 2019. Die große Koalition hat mit der Verabschiedung des Klimapakets einen ersten Schritt in Richtung der Schaffung eines politischen Ordnungsrahmens für eine postfossile Energiewirtschaft unternommen. Auch wenn das Ergebnis keinesfalls den Anforderungen des erwarteten großen Wurfs genügt, sondern auf einer Reihe von Kompromissen basiert, so sind in den 65 beschlossenen Einzelmaßnahmen dennoch Ansätze enthalten, welche die Landesfachkommission Umwelt- & Energiepolitik des Wirtschaftsrats Hessen begrüßen.
Dies betrifft insbesondere den Einstieg in marktbasierte Preisbildung für Treibhausgasemissionen für alle Sektoren in Verbindung mit einer permanenten Reduktion der verfügbaren Zertifikate. Er schafft die Voraussetzungen für die effiziente und kostenminimierte Einhaltung der Klimaziele und erlaubt die schrittweise Herstellung der Konformität mit dem Emissionshandel der EU. Das zugrunde gelegte Prinzip „Cap and Trade“ stärkt die Verursachungsgerechtigkeit. Die Abwicklung des Handels auf der Großhandelsebene unterstützt die Praktikabilität der Umsetzung.
Zu begrüßen ist weiterhin das Prinzip der Kostenneutralität. Mehreinnahmen werden zur Unterstützung des Technologietransfers, u.a. im Wärme- und Verkehrssektor, sowie zu einer ersten, längst fälligen, Entlastung des Strompreises herangezogen. Die hohen Strompreise in Deutschland für den Mittelstand und die privaten Haushalte wurden vom Wirtschaftsrat bereits mehrfach kritisch hervorgehoben. In diesem Zusammenhang geht es nicht ausschließlich um den direkten Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Kaufkraft der Haushalte, sondern auch um die strategische Rolle der Energieform Strom im Rahmen eines de-fossilisierten Energiesektors.
Zu unterstützen ist auch die ganzheitliche, sektorenübergreifende Herangehensweise. Es ist positiv zu werten, dass die Sektoren Gebäude („Wärmewende"), Verkehr („Verkehrswende“), Land- und Forstwirtschaft (Biodiversität), Industrie, Energie- und Abfallwirtschaft durch spezifische Maßnahmen in das Klimapaket integriert und der Einsatz moderner Technologien und Ansätze unterstützt wird.
Allerdings gibt es auch Aspekte, die kritisch zu hinterfragen sind. So ist für die Etablierung des umfänglichen Handels mit Emissionszertifikaten eine lange Einführungsdauer verbunden mit einer Einschränkung der Marktmechanismen vorgesehen. Dabei könnten Marktmechanismen auch bei vielen der im Klimapaket genannten Maßnahmen eine deutlich stärkere Rolle spielen. Der Wirtschaftsrat vermisst weiterhin eine deutlichere Incentivierung für Innovationen. Diese sind für eine erfolgreiche Energiewende von substantieller Bedeutung. Die dringend erforderliche Überarbeitung der Abgaben- und Steuersystematik wird im Klimapaket zudem vollständig ausgeblendet. Schließlich wird die Etablierung von regionalen Flexibilitätsmärkten zur Gewährleistung der Stabilität eines Systems von volatilen und dezentralen Energiequellen ebenfalls nicht angesprochen.
„Das Klimapaket kann nur der Einstieg in die Ausgestaltung des durch die Energiewende ausgelösten Transformationsprozesses auf Basis der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft sein“, so Prof. Dr. Peter Birkner, Vorsitzender der hessischen Landesfachkommission Umwelt- & Energiepolitik. „Das Dokument bringt die Erkenntnis, dass Politik die Kunst des Machbaren ist, anschaulich zum Ausdruck. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet ist die Ausweitung des Handels mit Emissionszertifikaten auf alle Sektoren der eigentliche Fortschritt der politischen Debatte.“