Zwischen Wohnungsnot, Sanierung und Neubau: Ist der Wohnungsmarkt noch zu retten?
Der Wohnungsbau hat sich in den letzten Jahren als „Dauerbrenner“ erwiesen. Die Ampelregierung hat sich auf die Fahne geschrieben, den Mangel an Wohnraum zu beheben. Allerdings haben Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation und steigende Zinsen zu erhöhten Baukosten beigetragen. Die aktuelle Schieflage am Wohnungsmarkt führt zu einer erheblichen Verunsicherung bei potenziellen Käufern und zu großen Herausforderungen bei Marktakteuren wie Projektentwicklern oder Bauträgern. Welche Impulse braucht der Wohnungsmarkt? Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? Wie können wir bezahlbar und klimafreundlich wohnen? Diese Fragen wurden von Experten aus verschiedenen Bereichen analysiert und diskutiert. Geleitet wurde die Podiumsdiskussion von Birgit Lenzen, Sprecherin des Netzwerks Immobilien des Wirtschaftsrates Hessen.
Nach der Begrüßung durch Birgit Lenzen begann Florian Rentsch, Staatsminister a.D. und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Sparda-Banken e.V., mit der thematischen Einführung und stellte sofort klar: Der Wohnungsbau und -markt steht vor großen Herausforderungen. Doch wie die Wohnstudie des Verbands zu Sanierungspotenzialen in Wohnimmobilien zeigt, liege der Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele bei den Bestandsimmobilien. Viele übersähen die Vorteile von Sanierung und würden nur an Neubau denken, so Rentsch. Rentsch betonte allerdings, dass Deutschland schlechte Rahmenbedingungen stelle und die Grunderwerbssteuer, hohe Notar- und vor allem hohe Baunebenkosten ein großes Problem seien. Zudem sprach er von einem „undurchschaubaren Förderdschungel“, der potenzielle Käufer und Investoren verunsichere.
Anschließend an die Vorstellung der Wohnstudie eröffnete Birgit Lenzen die Podiumsdiskussion. Bei der Frage nach der Zukunft des Bauens waren sich die Teilnehmer einig: Die Politik, vor allem auf kommunaler Ebene, müsse aktiv hinter einem Projekt stehen, um es überhaupt zu ermöglichen. Wenn Bauvorhaben aus ideologischen Gründen und für politische Stimmungsmache missbraucht und blockiert werden, sei keinem geholfen. Andreas Hülsken, Bereichsleiter und Prokurist bei STRABAG Real Estate GmbH, traf den Nagel auf den Kopf mit der Aussage, dass „Wohnraum zum Spielball der politischen Farbenlehre“ geworden ist. Er betonte, dass unnötiges Polarisieren zu keinem Konsens führen würde und dass Kommunen sowie Land zusammenarbeiten müssten. Sezai Cifci, Geschäftsführer der Bauer Stadtentwicklung Projekt GmbH, griff eine andere Problematik auf, nämlich die langjährigen Planungsprozesse für die Ausweisung von Bauland in Kommunen, bis dann der Bau überhaupt starten könne. Hier liege das Problem nicht nur bei der Zurückhaltung seitens der Kommunen, auch Rahmenbedingungen von „weiter oben“ seien ein großes Hindernis. Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt/Main, stimmte ihm zu und fügte an, dass man Kommunen belohnen könne für das Ausweisen von Bauflächen, um hier Anreize für diesen zeit- und kostspieligen Prozess zu setzen. Vor allem Olaf Cunitz, Leiter der Quartiersentwicklung bei der GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hessen, weiß aus eigener Erfahrung wie wichtig es ist, wenn eine Kommune und deren Verwaltung hinter einem Projekt steht. Sie müsse bereit sein, mit Kritik und Konflikt konfrontiert zu werden, Scheu und Angst bringe den Wohnungsmarkt nicht voran. Caspar sieht den Erfolg der Entwicklung in der Stadt Frankfurt/Main auf Grund von globalen Investitionen von Unternehmen in diesen Standort. Dennoch: Deutschland habe hohe Baustandards und es kämen immer mehr Mietrechtseingriffe hinzu. Dem fügte Cifci an, dass immer mehr bürokratische Hürden hinzukämen und „die vielen Normen das Bauen schwerer, teurer und komplizierter machen.“
Im Ergebnis sei die Lösung der Wohnungskrise eine komplexe Aufgabe, die ein Bündel schnell umsetzbarer Maßnahmen erfordert, bspw. Initiativen zur Baulandgewinnung für den Neubau und Unterstützung der Kommunen bei den Folgekosten, Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, Erhöhung der Auslastung im Bestand sowie eine Senkung der Baukosten durch Entbürokratisierung, Digitalisierung und die Entschlackung der Baustandards.
Die Förderung von Wohneigentum als Altersvorsorge sei eine gesellschaftspolitische Aufgabe, steuerliche Erleichterungen wie z.B. das Hessengeld zur Senkung der Grunderwerbsteuer sowie Verlässlichkeit und Transparenz der KfW-Fördermittel bei der Förderung im Neubau und im Bestand werden als vertrauensbildende Maßnahmen bei Kaufinteressenten und Eigentümern gesehen. Entlastungen im bezahlbaren Wohnraum seien ein Gebot der Stunde, so dass bei den derzeit hohen Baukosten und Zinsen sowie niedrigeren Mieten Investitionen in diese Assetklasse auch für institutionelle Investoren rentabel sein können.
Zuletzt sei für „die Zukunft des Bauens“ ein schnelles Handeln der Politik wichtig, damit nicht noch mehr Fachkräfte und Beschäftigte der Bau- und Immobilienwirtschaft im Zuge der aktuellen Insolvenzwelle verloren gehen.
Birgit Lenzen schloss mit einer kurzen Fragenrunde an das Publikum die Podiumsdiskussion ab und bedankte sich bei allen Referenten und Teilnehmern.