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Bericht
14.09.2022
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Weiterführung der Kernenergie in Deutschland – Vier juristische Scheinargumente

Sind die vom Bundesministerium für Umwelt angeführten Argumente gegen den Weiterbetrieb der am Netz befindlichen deutschen AKW juristisch haltbar?
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Nicht nur der Gasmarkt ist angespannt, sondern ebenso auch der Strommarkt. Insbesondere die energieintensiven und damit vor allem industriellen bzw. grundstofferzeugenden Betriebe spüren diese Preisexplosion mit gefährlichen Auswirkungen auf Wirtschaft, Wohlstand und Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund setzt sich der Wirtschaftsrat für eine Ausweitung des Angebotes ein. Konkret heißt dies, die Fortführung des Betriebes der letzten drei am Netz befindlichen Atomkraftwerke, aber auch eine Prüfung, ob die zur Jahreswende 2021/22 abgeschalteten Anlagen wieder ans Netz gehen könnten.

Neben vielen ideologischen Argumenten werden auch immer wieder juristische Gründe für den Ausstieg angeführt. Doch sind diese stichhaltig? – Dieser Frage ging die Sektion Dortmund in einer Tagung mit Herrn Dr. Philipp Bender, Rechtsanwalt, Kanzlei Redeker Sellner Dahs aus Bonn, nach.

Klare und eindeutige Worte fand der Jurist. „Wir bekommen vom Bundesministerium für Umwelt Märchen aufgetischt“, stellte er fest. So würden vier Argumente immer wieder nicht nur von der Politik, sondern ebenso vom Ministerium vorgetragen, obwohl diese juristisch nicht haltbar seien, ja sie seien schlichtweg juristisch nicht korrekt. Der Diskurs um Nutzung und Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland für die Stromerzeugung sei von mäandernden Entscheidungen geprägt, erklärte er.

Zunächst ging der Referent auf die Behauptung ein, es bedürfe für einen Weiterbetrieb der Nuklearmeiler Neugenehmigungen. Tatsächlich sei es so, dass eine Betriebsgenehmigung erst verfalle, wenn der Betreiber eine Stilllegungsgenehmigung beantrage. Da dies bei den verbliebenden Kraftwerken nicht der Fall sei und eine Betriebsgenehmigung selbst den sogenannten Nachbetrieb decke, sei diese Aussage des Bundesministeriums nicht haltbar.

Außerdem mache sich das Bundesministerium für Umwelt im Hinblick auf seine Aussagen zu europäischen Richtlinien und Standards juristisch angreifbar. Es werde in zwei weiteren Argumenten behauptet, dass ein Weiterbetrieb aufgrund der angeblichen Nichterfüllung von sogenannten EPR-Standards und der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung rechtlich unmöglich sei. Bei näherer Betrachtung ließe sich allerdings feststellen, dass die in Deutschland noch verfügbaren Atomkraftwerke tatsächlich nicht Gegenstand dieser Regelungen seien. Dabei dürfe in der Bevölkerung keinesfalls der Eindruck entstehen, dass die Atommeiler nicht den gängigen Standards genügen und dadurch weniger sicher seien, betonte Dr. Bender. Das Gegenteil sei der Fall. Deutsche Kraftwerke gehören zu den sichersten Anlagen weltweit und unterliegen strengsten Kontrollen. Dieser Tatbestand finde im öffentlichen Diskurs zu wenig Beachtung. „Die Regierung sollte schleunigst mit den Energieversorgungsunternehmen verhandeln und gegebenenfalls neues nukleares Brennmaterial bestellen“, forderte der Rechtsanwalt.

Der vierte Irrtum, welcher sich auf die sogenannte periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) bezieht, basiert erneut auf einer Fehlinterpretation. Da die verbliebenen Atomkraftwerke sowieso, Stand jetzt, innerhalb der nächsten drei Jahre vom Netz gingen, wurde (gesetzeskonform) auf die PSÜ verzichtet. Auch hier sei allerdings keine Einschränkung der Sicherheit zu befürchten, da aus dieser Prüfung lediglich Verbesserungsvorschläge pro futuro hervorgehen sollen. Der Rechtanwalt forderte allerdings, dass der Gesetzgeber hier nachbessern müsse. Entweder sollen die PSÜ bei einem Weiterbetrieb durchgeführt werden, oder es solle gesetzlich klargestellt werden, dass auf weitere PSÜs verzichtet werde.

In der Diskussion mit den Teilnehmern wurde besonders intensiv eine mögliche Gestaltung des politischen Diskurses über Atomenergie diskutiert. Es wurde festgestellt, dass wegen der aktuellen energiepolitischen Lage die ideologiegeprägte Art und Weise der Auseinandersetzung nicht weiter hinnehmbar sei. Der gemeinsame Tenor der Diskussion war, dass die aktuelle Stromknappheit und damit verbundene Preissteigerungen den wirtschaftlichen Grundstock und Wohlstand unseres Landes gefährden.