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Bericht
27.06.2022
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"Hyperinflation in Europa?"

Unseren jährlichen Austausch mit dem Chef-Volkswirt des Wirtschaftsrates, Simon Steinbrück, haben wir auch in diesem Jahr fortgesetzt. Die Unternehmer treibt die Sorge um, wie lange sie die momentanen Preissteigerungen noch an die Verbraucher weitergeben können und welche Signale die EZB aussendet, um bereits verloren gegangenes Vertrauen in die Europäische Währung zurück zu erlangen. Die Konsumenten sehen sich der größten Inflation seit der Ölpreiskrise von 1973 gegenüber (BRD: 7,6% im März 2022).

Online-Veranstaltung mit Simon Steinbrück, Geschäftsführer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
©Wirtschaftsrat

Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Ganz gleich, ob Geldmarkt mit enormen Anleihekäufen indirekt durch die Notenbanken innerhalb kürzester Zeit, Immobilienmarkt, Rohstoffmarkt, Spekulation, Krisen (Covid, Russland-Ukraine), Trockenheit, Energiewende, die Vergemeinschaftung von Schulden und die Abwendung von den Maastricht-Kriterien – all dies führt letztlich in Sachsen zu Preissteigerungen von insgesamt 7,2 Prozent (April 2022), die aber bereits Anzeichen für hyperinflationäre Entwicklungen zulassen. Denn Heizöl hat sich im Vorjahresvergleich um 80,4%, Kraftstoff um 41,4%, Energie um 31,5%, Nahrungsmittel um 30% und Gas um 22,3% verteuert. Simon Steinbrück hat uns einen dezidierten Ein- und Überblick in das finanzpolitische Geschehen der USA, von Deutschland und Europa geben sowie Wege aufgezeigt, wie man aus dem EU-Schulden-Dilemma herausfinden kann, um in der EU wieder Preise zu haben, bei denen man von Preisniveaustabilität sprechen kann.

Versorgungssicherheit in der Energiepolitik wurde in den letzten Jahren genauso vernachlässigt, wie die Stabilität des Euros. Heute hat man zudem den Blick auf die Geldmenge aus den Augen verloren – eine Situation mit einem bösen Erwachen am Ende, konstatiert Simon Steinbrück. Überall in Europa liegt die Inflation in Europa über 2 Prozent, bei manchen Ländern übersteigt diese sogar 10 Prozent. Die Schweiz orientiert sich geldpolitisch eher an der FED und nicht an der EZB, um den Schweizer Franken erfolgreich stabil zu halten.

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Wirtschaftsminister Habeck – als Bundeswirtschaftsminister - ist der Meinung, dass quantitatives Wachstum nicht mehr das Ziel der Wirtschaftspolitik sei – wenige Monate zuvor war durch ihn zu vernehmen, dass man mehr Mut für neue Schulden bräuchte. Das sind zwei entscheidende Denkfehler, denn bei einem kleineren Kuchen gibt es weniger zu verteilen. Die Folge ist Stagflation – die Kombination aus Stagnation und Inflation. Diese zu bekämpfen heißt, aus einer Dilemmasituation heraus zu finden.

Investoren haben momentan sogar Angst davor, dass die Zentralbanken aufhören, die Märkte mit Kapital zu überschwemmen – d.h. man hat sich an die laxe Geldpolitik auf Pump gewöhnt und möchte, dass dieser Zug weiterfährt. Damit wurden in der Vergangenheit große nominelle Gewinne gemacht – dies konterkariert jedoch die Bekämpfung der Geldentwertung. Der „Wealth-Effekt“ wirkt, da sich gestiegene Assets vor allem in Immobilien niedergeschlagen haben, sich die inflationsgetrieben „reicheren“ Menschen gut fühlten und daraufhin entsprechende Konsumausgaben tätigen konnten – Sparen stand hinten an. Mittlerweile schlägt sich die Inflation aber auf nahezu alle Verbraucherpreise nieder. Bis zum heutigen Zeitpunkt kauft die EZB munter weiter Staatsanleihen und weitet ihre Bilanz immer weiter aus. Von einer restriktiven Geldpolitik ist bisher noch keine Spur. Die Anomalie der Negativzinsen für Staatsanleihen mit 2-30 jähriger Laufzeit hat Deutschland und anderen EU-Staaten dadurch „reicher“ gemacht, dass sich die Staaten Geld bei der EZB geliehen haben – eine Umkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien. Das ist eins der Probleme, die zur momentanen Euro-Inflation geführt hat. In einer „normalen“ Zinswelt, wo Kredite mit Sollzinsen einhergehen (also, wo Geldleihe Geld kostet) – was aktuell (allerdings zu spät wieder) in der Diskussion ist – wirkt das negativ auf den Staatshaushalt und auf den Export. Aktuell erfüllt kaum ein europäisches Land die Schuldenstandsquote von Maastricht i.H.v. 60 Prozent.

Aufgrund der vor allem energiegetriebenen Inflation drohen zwei bis drei Nettokaltmieten als Nachzahlung für die Miete und das bei einer Sparfähigkeit, die für 60 Prozent der Deutschen gegen Null geht. Simon Steinbrück sieht vor Ende 2023 keinen nennenswerten Preisrückgang und macht uns damit wenig Hoffnung auf Besserung der Lage unter den gegebenen Umständen. Die Produzentenpreise sind im letzten Monat enorm gestiegen, was erneut negative Auswirkungen auf das gesamte Preisniveau entfalten wird. Die wichtigste Währung einer Zentralbank ist Vertrauen. Dieses Vertrauen schwindet, wenn eine beginnende Inflation als „vorübergehend“ bezeichnet, obwohl für alle Marktteilnehmer klar war, dass dies ein dauerhaftes Problem sein wird. Permanente Ankündigungen der Bilanzreduktion ohne Folgehandlungen haben zum Vertrauensverlust in die EZB geführt. Letztlich führte Simon Steinbrück aber auch Auswege aus der momentanen Lage an. Fiskalpolitisch müssen künftig die Vorhaben besser priorisiert werden. Dazu gehört auch, klar zu wissen und zu kommunizieren, was man finanzieren kann und was nicht. Z.B. ist eine Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben – kurzum man muss genau evaluieren, was man sich leisten kann und was nicht. Gelpolitisch muss die EZB verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen. Hierzu gehört eine klare Analyse der Fehleinschätzung zur Entwicklung der Inflation. Die EZB muss zur Unabhängigkeit zurückkehren, darf keine Wirtschaftspolitik machen, sondern muss sich wieder auf deren im Grunde einziges Ziel – die Garantie von Preisniveaustabilität – konzentrieren. Vielen Dank, lieber Simon – wir freuen uns darauf, dass Du uns dieses Jahr noch einmal in Sachsen persönlich besuchen kommst. Es war ein toller Abend.