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Bericht
18.01.2024
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„Unternehmerischer Wagemut in Zeiten des Wandels“

Unter Beteiligung des Wirtschaftsrats und auf Initiative der Atlantik-Brücke fand in der Handelshochschule Leipzig eine sehr spannende Veranstaltung statt.
©Wirtschaftsrat

Unter Beteiligung des Wirtschaftsrats und auf Initiative der Atlantik-Brücke fand in der Handelshochschule Leipzig (HHL) eine sehr spannende Veranstaltung u.a. unter Beteiligung des Meyer Burger CEO Dr. Gunter Erfurt, des Wirtschaftsbürgermeisters von Leipzig, Clemens Schülke, Christian Growitsch, Institutsleiter des Fraunhofer IMW sowie des Brauerei-Unternehmers Karsten Uhlmann statt. Wir danken der HHL und insbesondere deren Rektor, Herrn Prof. Dr. Dauth, für die Gastfreundschaft und Frau Julia Friedlander als Geschäftsführerin der Atlantikbrücke, Regionalgruppe Mitteldeutschland, für die organisatorische Begleitung. Zusammen mit dem Unternehmerverband Sachsen und der VNG mitveranstaltet, konnten wir überaus aktuelle und wichtige Erkenntnisse, insbesondere zum Unternehmertum in Deutschland und den USA, professionell moderiert durch Wolfgang Brinkschulte, gewinnen.

2024-01-18_Leipzig1.jpgVorn links: Karsten Uhlmann, Geschäftsführer der Frankfurter Brauhaus GmbH (Foto: Wirtschaftsrat)

Aktueller Aufhänger war die Ankündigung von Meyer Burger, bei weiterhin ausbleibenden Handlungen der Bundesregierung zur Unterstützung der deutschen Solarindustrie, den Standort in Freiberg mit ca. 500 Beschäftigten zu schließen und die Produktion vollends nach Amerika zu verlegen. Dort baut das schweizer Unternehmen (Nachfolger von Solarworld) gerade eine große Produktionshalle auf und profitiert u.a. vom unkompliziert und unbürokratisch aufgesetzten IRA-Konjunkturprogramm (Inflation Reduction Act). In Amerika müsse man in der Green-Tech-Branche nicht einmal einen Antrag auf Fördermittel stellen; es werde schnell von den politischen Entscheidern reagiert und die Finanzierung unbürokratisch vertraglich zugesichert. Die bewilligten Finanzmittel seien mehr oder minder frei verwendbar, führte Dr. Erfurt aus. Ein echter Pluspunkt für einen Standort in Übersee, wo sogar die Solarzellenproduktion staatlich gefördert werde. Dabei sei der IRA im Grunde nur die Antwort auf die deutsche Technologieförderung, stellte Fraunhofer IMW-Chef Christian Growitsch heraus. Was nur Wenige wissen: Das Volumen des IRA beträgt ca. 370 Mrd. US-Dollar, wohingegen die EU mit ihrem NextGenerationEU-Fonds 800 Mrd. € mobilisiert. An der Höhe der Finanzmittel kann es also nicht liegen, wenn in Deutschland staatlich induzierte Wachstumsimpulse weitgehend ausbleiben.

2024-01-18_Leipzig2.jpgPodiumsdiskussion - Moderation: Wolfgang Brinkschulte (Foto: Wirtschaftsrat)

Generell gibt es hierzulande noch extremen Nachholbedarf bei der Endbürokratisierung von Prozessen im Zusammenspiel mit der öffentlichen Verwaltung. Aber vor allem kommt es auf die Verlässlichkeit politischer Ankündigungen an. So habe Bundeskanzler Scholz zum Ost-Gipfel, im Juni letzten Jahres, in Chemnitz Hilfen für die durch chinesische Dumpingpreise bedrohte deutsche Solarindustrie angekündigt. Da muss unbedingt Wort gehalten werden und das Solarpaket I mit entsprechenden Rahmenbedingungen schnell verabschiedet werden. Ansonsten verliert Deutschland neben vielen Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen auch wichtiges Know-how und diese zusätzliche strategische Abhängigkeit von China könne auch auf andere Branchen, wie die Automobilindustrie und Windenergie übergreifen, mahnte Dr. Erfurt an. Jüngst habe der Freiberger Oberbürgermeister aufgrund der angekündigten Werkschließung eine Haushaltssperre verhängt. Die Dumping-Preise chinesischer Module rührten aber auch daher, dass in China der Staat mitunter ganze Werke inkl. der darin beschäftigten Mitarbeiter bezahlt. Wird der noch existierende Solarstandort Deutschland/Europa endlich resilient, so könne die Energiewende auch ein Erfolg für Europa werden.

2024-01-18_Leipzig3.jpg(Foto: Wirtschaftsrat)

Karsten Uhlmann wartete mit einem interessanten Werdegang auf und führte aus, dass ca. 60 Mio. Amerikaner deutsche Wurzeln hätten und dass damit diese Bevölkerungsgruppe herkunftsbezogen die größte in den USA sei. Dennoch gibt es mentalitätsbezogene Unterschiede, z.B. was die gesellschaftliche Anerkennung von Unternehmern anbelangt. Diese sei in den USA wesentlich positiver als in Deutschland, wo vielerorts auch Neid eine Rolle spiele. Ferner dominiere in Deutschland in der Tat die „German Angst“. Diese müsse in „German Mut“ umgewandelt werden. Mut haben vor allem die Ostdeutschen mit der friedlichen Revolution, die u.a. von Leipzig ausgingen, bewiesen. Mut kann in seiner extremen Ausprägung zwar zu Leichtsinn werden, aber für Unternehmer sei Mut die Fähigkeit entsprechend der bestehenden Risiken zu handeln. Das unternehmerische Scheitern werde in den USA wesentlich lockerer gesehen, getreu dem Motto: Ever try, ever fail – no matter; try again, fail again – fail better! In Deutschland hingegen werde man nach einer Pleite hingegen als Verlierer gebrandmarkt.

Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke wies in der Diskussionsrunde auf seine eigene Familiengeschichte hin und erläuterte, welche Entbehrungen sein Vater auf sich nehmen musste, um als Unternehmer nach der politischen Wende durchzustarten. Sich in die neuen Gesetzmäßigkeiten im Steuerrecht und Handelsrecht einzuarbeiten, waren dabei zeitraubende und mit vielen Einschnitten verbundene Notwendigkeiten. Heute bedürfe es ebenfalls einer neuen Gründergeneration, die sich aber ebenfalls bewusst sein müsse, dass es ohne Fleiß keinen Preis gäbe. Um die Gründer- und Unternehmersituation zu verbessern, so waren sich die Diskutanten im Podium einig, ist eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden, die sich verstärkt als Dienstleister begreifen müssten, und der Wirtschaft notwendig. Zudem solle verstärkt der Kapitalmarkt zur Finanzierung unternehmerischer Vorhaben genutzt werden, die private Investorentätigkeit verstärkt, die Steuer- und Abgabenlast gesenkt und vor allem die Bürokratie nennenswert abgebaut werden. Es könne nicht sein, dass der Staat bei einem Unternehmen mit 200 Mitarbeitern allein 58 Beauftragte vorschreibe. Für einen messbaren Bürokratieabbau sollte, nach Auffassung des Wirtschaftsrates, die Umsetzung der „one-in-two-out-Regel“ bei Gesetzesvorhaben, ganz gleich auf welcher Ebene, konsequente Anwendung finden. Das heißt für jedes neue Gesetz bzw. jede neue Vorschrift, müssten zwei bestehende weichen. Die Hinwendung zu technischen Prozessen, beginnend mit einer Beförderung der MINT-Orientierung in den KITAs und Schulen sowie die gesteuerte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, verbunden mit einer Reduktion von Sozialtransfers an Nichtleistungsbereite (Bürgergeld an Arbeitsleistung für Arbeitsfähige koppeln) könnten hier zudem wichtige Impulse entfalten. Einen herzlichen Dank an alle Mitstreiter und gern wieder eine gemeinsame Veranstaltung mit der Atlantik-Brücke.

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v.l.n.r.: Dr. Gunter Erfurt, CEO der Meyer Burger (Germany) GmbH; Dr. Dirk Schröter, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates in Sachsen (Foto: Wirtschaftsrat)