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Bericht
06.05.2019
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Abfallsammelfahrzeuge auf Basis von Wasserstoff als Kraftstoff

Podiumsdiskussion der Sektion Nordfriesland im "Haus der Zukunftsenergien" in Husum

Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen öffentliche Unternehmen von der Abfallwirtschaft bis zum Personennahverkehr ihre Fahrzeugflotten im Interesse des Klimaschutzes auf möglichst emissionsfreie Motorentechnik umstellen. Grund genug für die Sektion Nordfriesland, sich über die Perspektiven für Abfallsammelfahrzeuge auf der Basis von Wasserstoff als Kraftstoff zu informieren.
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Sektionssprecher Dr. Martin Grundmann begrüßte im Haus der Zukunftsenergie in Husum gleich sechs Experten, die aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln über die Nutzung von Wasserstoff als Kraftstoff diskutierten. Die Vorlage für die Diskussion lieferte Jürgen Meereis. Sein Beratungsunternehmen, die ESN Power Engineering Kiel, hat für die Abfallwirtschaft Nordfriesland untersucht, wie in den nächsten Jahren unterschiedliche Energieformen im Betriebsalltag genutzt werden können. Meereis machte mit Szenarien deutlich, daß alternative Antriebe – vor allem der umweltschonende grüne Wasserstoff – durchaus eine Chance haben, so wirtschaftlich wie die heutigen Dieselfahrzeuge zu werden. Er appellierte an Unternehmen, sich mit Förderprogrammen und Möglichkeiten innovativer Testbetriebe auseinanderzusetzen.

Nutzlast und Reichweite als Herausforderung

Genau dies machen der Abfallwirtschaftsbetrieb Nordfriesland und die Aktiv Bus Flensburg bereits vor. Michael Stürmann, Geschäftsführer der Abfallwirtschaftsgesellschaft Nordfriesland mbH in Husum, machte deutlich, worauf es ankommt. „Nach den aktuellen Prognosen würde die Umstellung der Flotte auf alternative Kraftstoffe unsere Kunden pro Haushalt im Monat bis zu drei Euro kosten. Das ist nicht so gewaltig.“ Aus seiner Sicht sei die größere Herausforderung, daß es Fahrzeuge geben müsse, die dieselbe Nutzlast haben und vergleichbare Kilometerleistungen wie die heutigen Dieselfahrzeuge. „Heute sind unsere Sammelfahrzeuge den gesamten Tag im Einsatz, müssen auf den Betriebshof zurückkehren und entladen oder betankt werden. Das führt zu deutlichen Mehrkosten beim Personal.“ Er sei aber optimistisch, daß die neuen Antriebstechnologien in einigen Jahren an die Leistungsfähigkeit der Dieselfahrzeuge herankommen.

Paul Hemkentokrax, Geschäftsführer der Aktiv Bus Flensburg, berichtet, daß sein Unternehmen aktuell einen neuen, völlig fossilfreien Betriebshof plane. „Wir legen mit unseren Bussen pro Jahr 2,6 Millionen Kilometer in Flensburg zurück. Unser Ziel ist es, dieses CO2-frei zu machen.“ Man habe alle aktuell verfügbaren Antriebstechnologien bereits getestet. „Bei uns kommt neben den Kosten der Aspekt der Pünktlichkeit dazu.“ Die gesetzliche Vorgabe sei, bis 2025 45 Prozent des Verkehrs emissionsfrei abzuwickeln. „Da hat man uns ein großes Päckchen geschnürt. Wir werden Hilfe durch Förderung und technische Weiterentwicklung brauchen, um das hinzubekommen.“

Rohstoffeffizienz in den Fokus rücken

 Dritter in der Runde, der aus der Sicht des Nutzers auf die neuen Technologien schaut, war Michael Schneider von Deutschlands größtem Entsorgungsunternehmen REMONDIS aus Lünen. Sein Plädoyer mit Blick auf neue Antriebstechniken: „Es sollte bei allen neuen Techniken auch die Rohstoffeffizienz berücksichtigt werden, sonst bekommen wir Probleme.“ Bei der Elektromobilität stelle sich beispielsweise die Frage der Rohstoffverfügbarkeit für die Batterien und deren Entsorgung. Unstrittig sei, dass es emissionsfreie Lösungen geben müsse. Er wolle – so formulierte er salopp – „die Wasserstoff-Party der heutigen Veranstaltung nicht sprengen, aber wir favorisieren aktuell eher die Betankung unserer Fahrzeuge mit aus unserem Kreislauf gewonnenen Biogas.“ Zudem könne er nicht verstehen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Biodiesels „wegradiert“ habe.

Und wie sieht die aktuelle Situation aus technischer Sicht bzw. aus Sicht der Motorentwickler aus? Burkhard Oppmann, Geschäftsführer der Faun Services aus Osterholz-Scharmbeck, zeigt sich überzeugt, daß schon bald Brennstoffzellenfahrzeuge industriell hergestellt werden.
„Wir beschäftigen uns seit 2006 mit alternativen Antrieben und werden im Sommer die ersten zwei Brennstoffzellenfahrzeuge in drei Leistungsvarianten auf den Markt bringen.“ Aus seiner Sicht sei die Weiterentwicklung dieser Technik notwendig, da „rein elektrisch angetriebene
Fahrzeuge aufgrund der geforderten Kilometerleistungen und Nutzlasten nicht die Lösung sein werden.“ Oppmann geht davon aus, daß sein Unternehmen in einigen Jahren bis zu 600 Fahrzeuge mit Brennstoffzellen produziert. Seine Prognose: „Wenn wir in unserem Bereich in
zehn Jahren die Hälfte der Fahrzeuge auf neue Technologien umgestellt haben, sind wir gut.“

Wasserstoff: Ressourceneffizient und verfügbar

 Sehr optimistisch mit Blick auf die Wasserstofftechnologie zeigten sich Thomas Korn, geschäftsführender Gesellschafter der Firma KEYOU aus München, und Falk Schulte-Wintrop von H2 Mobility aus Berlin. Für Korn ist der Wasserstoffverbrennungsmotor „die Schlüsseltechnologie der Zukunft, weil sie ressourceneffizient ist.“ Sein Unternehmen rüste gängige Verbrennungsmotoren so um, daß diese Wasserstoff als Brennstoff nutzen können, was nur ein Bruchteil der Investitionen voraussetze verglichen mit den Neuentwicklungen
auf der Basis von Brennstoffzellen.Neben vielen anderen Vorteilen stellten sich vor allem zwei Probleme nicht, die es bei der aktuell hoch gehandelten Elektromobilität gebe: die Entsorgungsproblematik der Akkus und die Frage der Logistik durch Verfügbarkeit ausreichender Stromnetze und der damit verbundenen Lademöglichkeiten. Schulte-Wintrop nahm diesen Ball auf. Die Logistik bei Wasserstoff – ein flächendeckendes Tankstellennetz – sei nur noch eine Frage der Zeit. „Wir werden bis Ende dieses Jahres hundert Tankstellen in Deutschland gebaut haben.“

 

Ziel seien insgesamt 400. „Wir sind bereit für den Massenmarkt. Wir bauen da, wo Nachfrage ist“, so Schulte-Wintrop, der die strategische Unternehmensentwicklung bei H2 Mobility verantwortet. Er machte deutlich, daß aus seiner Sicht vor allem die Entwicklung der
Einsatzmöglichkeiten bei Nutzfahrzeugen entscheidend sei. „Das wird die Schlüsseltechnologie für die Zukunft von Wasserstoff als Kraftstoff sein.“

 

Fazit:

Bis zur Marktfähigkeit einer emissionsfreien Motorentechnik sind noch einige Hürden zu nehmen. Eines vereint dabei Entwickler, Hersteller, Logistiker und Nutzer: der Wille, umwelt- und ressourcenschonende Lösungen so voranzubringen, daß sie wirtschaftlich mithalten können./Holger Hartwig